Diebin der Nacht
Astor.«
»Und du ? Du, die du meine Pläne niedermachst - was ist mit dir? Deiner schwärmerischen Suche nach einem Bruder, der zweifelsohne inzwischen ein Prinz irgendwo in Tahiti ist, und nach einem Vermögen - wenn sich beides nur erst finden ließe! Und wenn sie nicht gestorben sind...«
Seine Worte verletzten sie wie Schläge, und zwar sowohl wegen ihrer Verachtung als auch wegen ihrer Richtigkeit. Mit Mühe kämpfte sie gegen ihre Tränen an, denn sie wusste, dass er sie nur wieder verspotten würde.
»Ich habe nichts von einem Vermögen gesagt«, korrigierte sie ihn. »Und es will mir nicht gelingen zu sehen, wie meine Liebe zu Bram mit deinem maßlosen Hass gleichgesetzt werden kann.«
Nach einem Moment der Stille gab er ein wenig nach. »Du wirst deine Gründe haben, nehme ich an. Ich mache dir nicht den geringsten Vorwurf, dass du die Suche nach Bram weiterverfolgst, vor allem angesichts deiner grausamen Parodie von Familie, die Rillieux dir vorgaukelt. Ich würde genauso meinen Bruder finden wollen, selbst wenn er sich schließlich als der Sheriff von Nottingham heraus- stellen sollte. Aber ich gebe dir den guten Rat, dich nach so vielen Jahren auf eine schlechte Nachricht gefasst zu machen.«
Sie nahm an, dass dies so etwas wie ein Versöhnungsangebot war, oder zumindest eine Andeutung davon. Also beschloss sie, selbst ebenfalls eines auszusprechen.
»Du hast in meinem Interesse mit Perkins und Sparky geredet, nicht wahr?«, fragte sie ihn. »Hältst sie von mir fern? Du und Hush, ihr arbeitet doch irgendwie zusammen, oder?«
»Ich und Hush? Nun ja, wir haben in der Tat ein wenig bei einer Zigarre geplaudert.«
»Einer Zig- du verachtest Rillieux, aber deine eigene Korrumpierung junger Menschen zählt nicht, ich verstehe.«
»Korrumpierung? Das ist hart. Ich habe ihn wahrscheinlich für den Rest seines Lebens vom Zigarrerauchen geheilt. Sage mir, >korrumpiere< ich etwa auch dich - mit meinen Verführungen, meine ich, willst du das mit deiner Andeutung hier sagen? Wenn es so ist, werde ich selbstverständlich sofort Abstand davon nehmen. Die Wahl Hegt bei dir.«
Seine fordernden Augen ließen sie nicht davonkommen. Während sie kapitulierte, verachtete sie ihn, und so antwortete sie mit bissiger Stimme: »Nein, du korrumpierst mich nicht. Ich bin eine Frau, und ich weiß, was ich tue. Hush jedoch ist erst zwölf.«
»Das ist alt genug, um sein Wort zu halten, trotzdem hat der kleine Rotzlöffel es dir erzählt.«
»Er hat mir überhaupt nichts erzählt. Ich habe es durch sein Verhalten und durch gewisse Bemerkungen erraten. Ich ... vielen Dank jedenfalls. Dafür, dass du Lorenzo und Sparky von mir fern gehalten hast, meine ich.«
»Du brauchst mir nicht zu danken. Ich will nur nicht, dass die beiden Stümper meine Pläne durchkreuzen.«
»Du kannst dich wohl nicht ein einziges Mal menschlich zeigen, nicht wahr? Du drehst sofort durch, sobald jemand dich zu lange anschaut oder versucht, höflich zu sein. Wovor hast du solche Angst?«
»Angst?«, wiederholte er gereizt. »Vor Tod, Krankheit, Armut, dem üblichen Zeug halt. Bist du nun unter die Psychiater gegangen und versuchst, die Seelen der Menschen zu erforschen?«
»Oh, Rafe, hör auf damit. Wie kann ein so erfolgreicher und brillanter Mann bloß nicht erkennen, dass Rache kein ausreichender Grund zum Leben ist?«
»Verdammt, ich hatte dich doch schon früher gebeten, mich mit deinen Predigten in Ruhe zu lassen. Ich lebe für das, was mir gefällt. Du solltest vielleicht von Zeit zu Zeit ein paar Geschichtsbücher lesen, nicht nur all diese törichten, sentimentalen Liebesgeschichten, die ihr Frauen verschlingt. Rache liegt mitten im Zentrum der menschlichen Ereignisse, Lady M. Männer wie Alexander der Große und Dschingis Khan haben sie über alles andere gestellt.«
»Es hat keinen Sinn«, gab sie auf, »gegen dich kann einfach niemand ankommen, du weißt immer alles besser und hast immer Recht.«
»Solange du dir das merkst«, riet er ihr, »werden wir blendend miteinander auskommen.«
Sie beendeten die Fahrt in angespanntem Schweigen, wobei Mystere sich durch die Fenster die hell erleuchteten Häuser und die gepflegten Rasenflächen anschaute, die auf beiden Seiten vorbeizogen. Dieser Abschnitt der Fifth Avenue, auf dem sich die Sheridan-Residenz befand, hatte kürzlich eine gewisse Flucht der Reichen erlebt, nachdem Unternehmer mit geschäftlichen Interessen begonnen hatten, aus der Adresse, die mit hohen Prestigewert besaß,
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