Diebin der Nacht
Berühmtheit verlieren zu lassen, bevor sie an Heizer, Pauls Stammhehler, persönlich herantreten wollte. Ihr graute davor, ihn in der Water Street, einer schrecklich rauen Gegend, aufzusuchen. Sie hatte ihn jedoch ein Mal bei sich zu Hause getroffen, und er war ihr gegenüber sehr nett und höflich gewesen. Er hatte über Jahre hinweg in einem illegalen Gewerbe überlebt, und zwar durch Habsucht, Gerissenheit und vor allem durch Verschwiegenheit - es sollte ihr also gelingen, mit ihm zu verhandeln.
»Noch nichts«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
Sein höhnisches Lachen irritierte sie nur noch mehr. »So. Du findest also langsam heraus, dass der Teufel in der Not auch Fliegen frisst, was? Du kannst nicht einmal ein Zehntel seines wahren Wertes für ihn bekommen, nicht wahr?«
»Hast du kein Imperium zu leiten? Warum machst du dir so viele Gedanken wegen des Ringes ?«
»Das ist offensichtlich, und du weißt es. Ich bin mir fast sicher, dass du verschwinden wirst, sobald du ihn erst einmal verkauft hast.«
Sie schaute aus ihrem Fenster und ignorierte ihn einfach. »Und das wird dir dann ganz bestimmt das Herz brechen.«
»Oh, ein oder zwei Tage lang werde ich dich schon vermissen, nehme ich mal an. Aber um mein Herz geht es hier doch gar nicht. Dein Verschwinden würde mich öffentlich demütigen, das ist das große Problem. Die ganzen Spekulationen darüber, für wen meine Verlobte mich wohl hat sitzen lassen ... abgesehen davon, dass du sowieso geschnappt werden wirst.«
»Das ist Quatsch, und das weißt du«, klagte sie ihn an, wobei sie sich noch immer weigerte, in seine Richtung zu schauen. »Der wahre Grund, warum du mein Weglaufen fürchtest, ist der Schlag, den das deinen abartigen Plänen versetzen würde.«
»Ausgerechnet du hältst Reden über Abartigkeit - eine Diebin, deren ganzes Leben eine einzige Lüge ist? Diese Stoffstreifen, mit denen du deine Brüste umwickelst und deine Reize verbirgst, auf die du eigentlich stolz sein solltest - ist das etwa nicht abartig?«
»Nein! Was ich tue, ist zwar falsch und verboten, aber nicht abartig. Mein Ziel ist das Überleben und nicht die Rache. Du jedoch - du wirst uns beide zugrunde richten, nicht wahr? Und all das nur, um einen weiteren sinnlosen Pfeil an Caroline zu verschwenden.«
»An Caroline allein, glaubst du? Nein, ich bin darauf aus, ihren ganzen Stand zu zerstören, nicht nur sie selbst. Es sind die >oberen Vierhundert<, die ich im Auge habe, wenn ich auch zugeben muss, dass sie das Zentrum der Zielscheibe ist und den direktesten Schuss abbekommen wird. Und im übrigen - du hast Unrecht; ich habe keinen gezielten Plan, dich zu zerstören. Aber...«
»Aber, um es ebenfalls bildlich auszudrücken«, fuhr sie fort, als er eine Pause machte, »wo gehobelt wird, da fallen auch Späne.«
Sie schaute ihn wieder an.
Er lächelte über ihren Zynismus. »Gut gesagt«, lobte er sie. »Ich habe diese ganzen Mühen jedoch nicht auf mich genommen, um für nichts und wieder nichts eine Klatschseitenberühmtheit zu werden.«
Seine Worte schmerzten, denn sie verstand sofort, was er damit meinte. Das Tanzen, die heimlichen Küsse, all das war lediglich darauf abgezielt gewesen, Reporter auf sich aufmerksam zu machen und somit ein Publikum für seine Pläne zu bekommen. Dies beantwortete auch Pauls Frage, warum ein »Mann des Imperiums« so erpicht darauf war, seinen Namen in den Zeitungen zu sehen.
Wie alle anderen wurde nun auch sie benutzt.
»Ja«, erwiderte sie scharf, und verletzte Gefühle ließen ihre Stimme ein wenig lauter werden, »du wirst sie ganz langsam nach und nach zerstören, denn was bringt schon Grausamkeit, wenn man sie nicht in die Länge ziehen und genießen kann, nicht wahr? Sobald deine große Chance kommt, wirst du sie ergreifen.«
Ein Teil seines Gesichtes lag im Schatten, aber sie konnte die Wut erkennen, die in ihm aufkam.
»Überlass diese ganze Vorhersagerei lieber deinem Scharlatanonkel«, schnauzte er sie an. »Meine Pläne werden mir nicht von einem dienstbaren Geist ins Ohr geflüstert. Ich lebe mein Leben, indem ich eigenständig handele, wie die meisten Menschen es tun.«
»Nein. Trotz der Möglichkeiten, die großer Reichtum einem bietet, bist du nur ein Prophet des Jüngsten Gerichts, und deine Geschichte handelt von Anfang an vom Untergang. Dein großspuriger Plan der Zerstörung wird nur in deinem Kopf stattfmden. Eher wirst du die Pyramiden von Gizeh zum Einsturz bringen als das Imperium von Mrs.
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