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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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Mr. Sheridan vielleicht irgendetwas über meine Familie weiß.«
    »Warum? Glauben Sie vielleicht, er ist ein öffentlicher Stammbaumforscher ?«
    »Natürlich nicht. Aber meine Famil-«
    »Und um welche Familie könnte es sich dabei wohl handeln? Oh, nun sagen Sie mir aber nicht«, spottete der Büroangestellte oder was auch immer er war, »dass Sie Ihren Nachnamen eigentlich nicht kennen, ist es das?«
    Ihr wurde heiß. Der Mann hatte bewusst seine Stimme erhoben, damit diejenigen, die in der Nähe arbeiteten, es ebenfalls hören konnten.
    »Tatsächlich, das ist ... das ist richtig«, gelang es ihr zu sagen.
    »Ja, und was Sie gerne wissen würden«, fuhr er fort, während unbarmherzige Heiterkeit in seinen starren grauen Augen blitzte, »ist, ob Sie nicht vielleicht entweder mit Mr. Sheridan oder mit den Granvilles verwandt sind.«
    »Vielleicht nicht unbedingt verwandt«, schränkte sie ein, »aber womöglich auf irgendeine Weise verbunden. Sehen Sie, ich habe einen Brief...«
    Aber bevor sie ihre Handtasche öffnen konnte, rief der Mann laut aus: »Hört mal, Kollegen! Diese Lady hier hat einen Brief. Nun, das ändert natürlich alles, was?«
    Brüllendes, höhnisches Gelächter ersetzte für einen Augenblick das Geklapper der Schreibmaschinen. Ihr Widersacher stand hinter dem langen, hölzernen Schalter, der die Besucher von dem Arbeitsbüro trennte. Er zog eine Schublade auf und knallte dann einen dicken Stapel Briefe vor ihr auf den Tresen.
    »Wir haben ungefähr fünfzig Briefe dieser Art hier«, erwiderte er scharf, »Und das sind nur die, die wir gesammelt haben. Was dagegen, wenn wir Ihren dazutun ?«
    Er durchblätterte den Stapel, und sie spürte, dass ihr Herz schwer wurde wie Blei, als sie erkannte, dass mindestens die Hälfte der Briefe unter dem Granville-Wappen geschrieben waren.
    »Ihr Spiel mit der vertraulichen Mitteilung ist schon alt«, versicherte der Mann ihr barsch. »Es ist nicht nur das Haus Granville - jede alteingesessene Familie der Aristokratie wird mit habgierigen, faulen Anspruchstelle rn überschwemmt.«
    Erst jetzt wurde ihr voll und ganz bewusst, wie er und die anderen im Büro auf ihre durchnässte Erscheinung starrten. Sie war zunächst zu gedankenverloren und nervös gewesen, um darüber nachzudenken, welches Bild sie abgab. Ein dünnes Kleid, darunter lediglich ein Unterkleid und ein Leibchen, und alles war durchnässt - und dieses helle elektrische Licht, das von der Decke herabhing, gab ein grausam klares Bild von ihr ab ... von einem Teil von ihr, wurde ihr klar, denn die Augen der Männer schienen sie wie prüfende Hände zu berühren.
    »Ich stelle überhaupt keine Behauptungen auf«, beharrte sie. »Aber wenn ich nur einen kurzen Termin bei-«
    »Zum Henker mit Ihrem Termin«, unterbrach der Mann sie ungeduldig.
    »Ich versichere Ihnen, dass Mr. Sheridan nichts mit Ihren Nachforschungen zu tun haben will. Nur weil ein Mann wohlhabend und seine Schwester gut verheiratet ist, heißt das noch lange nicht, dass er mit jedem Goldgräber verwandt sein muss, der jemals auf dem Zwischendeck nach Amerika gesegelt ist.«
    »Sie dachte wohl, dass ’ne gute Figur ihr die Türen öffnen würde«, verhöhnte ein Büroangestellter sie. »Ist bewusst klatschnass hier reingekommen, jawohl, um uns alle aufzureizen. Ich würd also vorschlagen, dass wir sie in den Lagerraum mitnehmen und ihr unsere >Wurzeln< zeigen.«
    Sein widerliches Wortspiel rief einen Chor von höhnischen Bemerkungen und Gelächter hervor.
    »Es ist viel leichter, den Reichen auf der Tasche zu liegen als sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen; genau so denken viele von euch wohlgestalteten jungen Mädchen«, versicherte der Mann ihr. »Und nun machen Sie, dass Sie schleunigst hier rauskommen, bevor ich Sie verhaften lasse.«
    Sie war so niedergeschlagen, dass sie nicht einmal die Chance hatte, ihren Brief vorzuzeigen, bevor ein uniformierter Portier sie wieder nach draußen auf den Gehweg drängte. Das alles ging so schnell, dass Baylis sie nicht einmal hatte Weggehen sehen.
     
    Der Regen hatte aufgehört; ein grauer trostloser Himmel jedoch ließ die Wall Street hässlich und kalt aussehen. Überall hatten sich große Pfützen gebildet, die Kratern ähnelten. Ein Schienenwagen rumpelte vorbei, dessen riesiges Zugpferd von offenen Wunden gezeichnet war. Nicht nur, dass Mystere das Elend in den Augen des Pferdes lesen konnte, in diesem Moment voller Resignation spürte sie eine tiefe Affinität mit der

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