Diebin der Nacht
hinterherzulaufen. Aber schon versuchte Antonia, die Mystere offensichtlich nicht gesehen hatte, ihn weiterhin in ihr ermüdendes, raffiniertes, erotisches Geplänkel zu verwickeln. Und warum sollte sie das auch nicht tun, denn er selbst hatte ja gerade die letzte Stunde damit verbracht, dieses Spielchen mitzuspielen.
Im Moment jedoch ignorierte er das und beobachtete noch immer Mysteres sich entfernende Gestalt. Zuerst war er sich nicht sicher gewesen, ob sie es war, so verändert hatte sie ausgesehen - vom Wind zerzaustes Haar, provokativ in ihrer feuchten Kleidung, die ihre buchstäblich ungehinderten Schönheit hervor hob. Aber diese Vergissmeinnichtaugen waren unverkennbar gewesen.
So ein verdammtes Pech, fluchte er innerlich. All seine Bemühungen, einen schockierenden Eindruck zu erzeugen - und nun bekam er das Meiste davon ab. Und am irritierendsten von allem war die Tatsache, dass er sich plötzlich wie aus heiterem Himmel Mysteres verletzten Gefühlen verpflichtet fühlte.
Antonia wiederholte irgendetwas in beleidigtem Ton und er bemerkte, dass sie auf seine Antwort wartete.
»Was?«, fragte er sie ein wenig schroff.
Sie hielt abrupt an und zerrte an ihm herum, damit auch er stehen blieb.
»>Was?<«, äffte sie seine geistesabwesende Frage nach. »Sie haben mir überhaupt nicht zugehört, nicht wahr, Rafe Belloch?«
»Natürlich habe ich das«, behauptete er mit der Überzeugungskraft eines Papageis, der mechanisch vor sich hinplappert.
»Haben Sie nicht, ganz offensichtlich!«, beschuldigte sie ihn. »Plötzlich kommt es mir so vor, als hätte sich Ihr einzigartiger Sinn für kühne Abenteuer in ein schlechtes Gewissen verwandelt.«
»Ist das so?«, antwortete er abwesend. Er war so zerstreut, dass er mit ungewollter Offenheit hinzufügte: »Sie reden ja sowieso nur nichts sagendes Zeug.«
Sie runzelte die Stirn, und das mit gutem Grund, denn er war es gewesen, der mit ihrem geistlosen Verführungsritual begonnen hatte.
»Ich rede... ?« Antonias kokette Gereiztheit wurde plötzlich zu echter Verärgerung. Ihr hübsches Gesicht hatte die Tendenz, sich in eine rachsüchtige Maske zu verwandeln, wenn sie sich verletzt fühlte. »Sie waren es doch, der mich angerufen hatte, erinnern Sie sich, Rafe? Es war Ihre Idee, beherzt unkonventionell zu sein, nicht meine.«
»Ich werde Sie niemals irgendwelcher Absichten bezichtigen«, versprach Rafe in so sanftem Ton, dass sie nur noch verwirrter wurde. Er fuhr fort, die Frau an seiner Seite und alles andere zu ignorieren, mit Ausnahme von Mystere, die nun hinter einer hohen Hecke verschwand.
Sam Farrell hat Recht gehabt, dachte Rafe. Er konnte in der Tat stolz auf Mrs. Astors Verachtung sein, nicht jedoch, so musste er nun vernichtend feststellen, auf die Verachtung Mysteres.
Er fasste einen Entschluss und griff zu seiner Brieftasche, um eine Banknote herauszuziehen. Diese drückte er Antonia in die Hand.
»Ich würde Ihnen ja meine Kutsche leihen«, erklärte er, als er seinen Arm aus dem ihren zog, »aber es könnte sein, dass ich sie selber noch brauche. Sie werden jedoch ohne Probleme eine Mietdroschke finden. Bitte entschuldigen Sie mich, es ist etwas dazwischengekommen.«
Antonia fiel vor Staunen über sein Benehmen die Kinnlade herunter, Rafe war jedoch im nächsten Moment schon auf und davon und entlockte den Kutschern Verfluchungen, als er genauso gewagt wie Mystere den Broadway überquerte.
Rafe schlitterte um die Hecke herum und holte die durchnässte Mystere gerade noch ein, bevor sie den Parkeingang erreicht hatte.
»Mystere! Langsam!«
Obwohl sie vom Durcheinander ihrer verzweifelten Gefühle überwältigt war, konnte sie nicht umhin wahrzunehmen, dass er sie bei ihrem richtigen Namen genannt hatte - etwas, das er normalerweise nur tat, wenn andere dabei waren.
»Du musst mit Antonia Schluss gemacht haben«, warf sie ihm an den Kopf, während sie ihre Schritte beschleunigte, »dass du dich nun so schnell von ihr trennen konntest.«
Er war jedoch schneller und sprintete an ihr vorbei, um ihr das enge Tor in dem Zaun, der den Park umgab, zu versperren.
»Es ist nicht das, was du denkst«, protestierte er.
»Da stimme ich dir zu - es ist das, was du bist. Lass mich vorbei.«
»Nein, nicht bevor du es mich hast erklären lassen. Wir haben lediglich im Restaurant des Hotels Kaffee getrunken und ein Dessert zu uns genommen. Wir sind nicht nach oben gegangen.« Er runzelte die Stirn und fügte hinzu: »Nicht, dass dich das überhaupt
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