Diebin der Nacht
nach Hause gekommen sei. Ich nehme an, dass sie bei Ihnen ist?«
»Ja«, log er.
»Seien Sie um Gottes willen diskret; und halten Sie sie von Ihrem Hotel fern. Ja, und noch etwas: Sagen Sie ihr bitte, dass sie mich anrufen soll«, bat Caroline ihn und fügte hinzu: »Kommen Sie, Ward. Rafe muss nun wieder an seine Arbeit.«
Rafe hatte jedoch keine derartige Absicht.
»Sie beschließen die Sitzung«, trug er Sam auf, sobald dieser zur Tür hereinkam. »Ich werde Paul Rillieux aufsuchen. Mein Gott, ich habe da einen ganz schönen Schlamassel angerichtet.«
»Vielleicht haben Sie das«, antwortete Sam. »Aber Sie werden das alles schon wieder in Ordnung bringen, Boss. Erinnern Sie sich daran, was Sie Ihren Ingenieuren gesagt hatten, als die Rock-Island-Linie in Walnut Creek stecken geblieben war ? Alle waren schon kurz davor aufzugeben.«
Rafe grinste. »Natürlich erinnere ich mich daran. Ich sagte, wenn wir die Brücke nicht höher machen können, dann müssen wir halt den Fluss niedriger machen. Und ich will verdammt sein, wenn wir nicht tatsächlich den Fluss niedriger gemacht haben.«
»Ich werde mich um alles hier kümmern«, versicherte Sam ihm. »Gehen Sie ruhig Mystere suchen.«
Paul Rillieux schien amüsiert und irgendwie herablassend auf Rafe Rellochs Benehmen und Tonfall zu reagieren. Paul hatte seinen Besuch schon erwartet, seit er irgendwann spät in der vergangenen Nacht erkannt hatte, dass Mystere schließlich doch weggelaufen sein musste.
»Wo ist sie?«, wiederholte Rillieux die Frage seines Besuchers, legte seinen Stock auf die Knie und lehnte sich in seinen Sessel zurück. »Sie wird sich wohl nach Westen durcharbeiten, wie wir über Frauen zu sagen pflegten, die allein reisten. Obwohl ich bezweifle, dass sie ihren Körper verkaufen wird, denn sie ist eine starrköpfige, stolze... -«
»Ich weiß, wie sie ist, Rillieux«, unterbrach Rafe ihn ungeduldig.
Das Fuchsgesicht grinste ihn an. »Ich bin mir sicher, dass Sie das wissen.«
»Sir, Sie haben weniger Freunde, als Sie glauben. Und Alter schützt einen Mann nicht vor dem Gefängnis, wenn er erst einmal verurteilt worden ist.«
»Belloch, Sie betreten mein Haus und bedrohen mich?«
»Ihr Haus?« Rafe stand auf, machte ein paar Schritte durch den Salon und ging dann drohend auf Rillieux zu. »Ich hatte Sie gefragt, wo Mystere ist, und ich erwarte eine Antwort.«
»Lassen Sie uns nichts überstürzen, Mr. Belloch.« Er schlug drei Mal mit der Spitze seines Stockes auf den Fußboden. Beinahe sofort wurde eine Seitentür aufgestoßen und der kräftige »Butler«, den Rafe als Evan kannte, schritt mit einer Schrotflinte unter dem Arm in den Raum.
»Gib lieber auf dein Benehmen Acht, du feiger Hund«, riet er Rafe in missmutigem Ton, »sonst hast du gleich eine Ladung Schrot in deinem Bauch.«
Rafe hatte keine andere Wahl als sich zurückzuhalten. Das mörderische Funkeln in Evans feindseligen Augen war unmissverständlich. Es diente ihm als Erinnerung daran, dass Mysteres Vergehen im Großen und Ganzen gesehen eigentlich gar nicht so schwerwiegend waren. Es war das Böse in Rillieux, das sie so lange in dieser Räuberhöhle beherrscht hatte.
»Wenn man sich schuldig bekennt«, erklärte Rillieux seinem Besucher, »so umgeht man halt einfach die Jury. Ich gebe alles zu, wessen Sie mich angeklagt haben, mehr oder weniger zumindest. Was jedoch Ihre Frage nach Mysteres Aufenthaltsort angeht - da habe ich auf jeden Fall die Absicht, mit Ihnen zu kooperieren. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass sie die Stadt noch nicht verlassen haben kann. Ich kenne ihren genauen Aufenthaltsort jedoch nicht. W ähr end wir hier reden, sind mehrere Männer auf der Suche nach ihr.«
»Das wundert mich nicht, denn für Sie ist sie ja der Schlüssel zum Tresor. Sie haben sich von ihrem Bruder befreit, nicht wahr, Rillieux? Haben einer Bande von Erpressern einen Hinweis gegeben, damit sie ihn schnappen konnten, denn wenn es irgendwelche Reichtümer zu erben gäbe, so malten Sie sich aus, würde Mystere leichter zu kontrollieren sein.«
»Ich sehe schon, sie hat Ihnen von ihrem kostbaren Brief erzählt.«
Dieses Thema schien Rillieux überhaupt nicht zu berühren. Nachdem er anscheinend den Brief der Anwaltskanzlei in New Orleans gelesen hatte, wusste er, dass es nicht nötig war zu lügen, dass es keinen Sinn hatte, Beiloch etwas vorzumachen.
»Und selbst wenn ich die Entführung des Jungen arrangiert hätte?«, konterte Rillieux. »Was natürlich rein
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