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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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unbedeckt, wenn auch die Dekolletes weniger gewagt waren als in den pikanten Sechzige rn und Siebzigern. Mystere jedoch trug wie immer ein hochgeschlossenes Kleid, das auch im Rücken fast bis zum Hals mit Haken versehen war und nur ihr zartes Schlüsselbein sehen ließ. Antonia nahm natürlich an, dass sie sich auf diese Weise kleidete, um ihren Mangel an weiblichen Rundungen zu verbergen.
    »Ihr neuer Ring ist fantastisch«, zwang Mystere sich in süßem Ton zu sagen. Sie war jedoch tatsächlich beeindruckt von der Größe und Reinheit des Smaragdes. Einen Moment lang, als der Stein im Licht der Lampions glitzerte, hatte sie sogar ein Dejä-vu- Erlebnis. Als läge die Vision in der tiefgrünen Mitte des Smaragdes sah sie erneut, wie die smaragdgrünen Augen eines Matrosen sie anschauten - und zwar so leblos wie Stein. Es waren Brams Augen. So manche Nacht war sie aus einem Traum aufgewacht, in dem sie wieder die Docks entlang dem fortsegelnden Schiff nachlief und Brams Namen hinter dem Mann herrief, der sie jedoch nicht erkannt hatte.
    »Ja, er ist ganz nett, nicht wahr?«, antwortete Antonia, die Mrs. Astors Wohltätigkeitsveranstaltungen schon überdrüssig war. »Er ist furchtbar schwer. Möchten Sie ihn gerne einmal anprobieren?«
    »Oh, darf ich?«
    Antonia zog ihn unter leichten Schwierigkeiten ab. Beide Frauen waren entsetzt, feststellen zu müssen, dass der funkelnde Ring perfekt auf Mysteres Ringfinger passte.
    »Er ist wie für Sie gemacht«, gab Antonia zu, wobei ihr Sarkasmus kurzzeitig ihre Stimme verließ - der Ring passte nicht nur perfekt, er sah an Mysteres Hand einfach wunderschön aus.
    Als Mystere plötzlich gewahr wurde, dass ein Dutzend Leute sie anstarrten, zog sie den Ring ab und reichte ihn zurück. »Unsinn, Antonia, er beißt sich mit meinen Augen. An Ihnen ist er perfekt.«
    Mystere stahl sich davon und begann ein Gespräch mit Thelma Richards und Sylvia Rohr, die in der Tat genau die Brosche trug, die Paul haben wollte. Thelma regte sich noch immer über den Stau auf, den es früher an diesem Tage auf dem Broadway Ecke Fulton Street gegeben hatte.
    »Der Verkehr stand über eine Stunde lang absolut still«, klagte sie. »An einem Wagen war eine Achse gebrochen und die Fässer, die er geladen hatte, waren überallhin gerollt. Ich wünschte, man würde kommerzielle Fahrzeuge in den oberen Stadtbezirken verbieten.«
    Während Mystere verständnisvoll nickte, suchte sie überall nach Rafe Belloch, indem sie so tat, als ließe sie ihren Blick gedankenlos über die Menschenmenge schweifen.
    Vorläufig in Sicherheit, entschied sie, als sie ihn nirgends entdecken konnte. Bevor sie jedoch weiter über Rafe nach- denken konnte, hatte Abbot Pollard sich an das kleine Trio herangemacht.
    »Meine Damen«, begrüßte er sie, indem er die rechte Hand einer jeden von ihnen mit einer galanten, schwungvollen Bewegung anhob und diese mit seinen trockenen Lippen berührte. »Was sehe ich da - keine Lydia heute Abend?«
    Er presste seine Lippen zusammen wie ein kleiner, zimperlicher Schuljunge, der ein Geheimnis hütete. »Und dazu gibt es eine Geschichte, ich werde sie jedoch nicht erzählen.«
    Das brauchte er auch gar nicht, wie Mystere wusste, denn jeder, der im Telefonverzeichnis von Manhattan auf- gelistet war, kannte schon den neuesten Skandal, in den eine von ihnen verwickelt war. Es war eine unumstößliche Tatsache, dass Mrs. Astor die zentrale Figur der besten Gesellschaft des alten New York war - der feste Pol, um den all die glänzenden Sterne rotierten. Gestern jedoch war dieses sichere Universum erschüttert worden, als einer der Sterne für immer aus seiner Umlaufbahn gestürzt war.
    Lydia Hotchkiss, die Ehefrau eines Friedensrichters der Stadt New York, war bei einem Akt vornehmer Kleptomanie, wie es in gewissen Kreisen taktvoll genannt wurde, festgenommen worden. Man hatte sie bei Tiffany’s erwischt, als sie gerade versuchte, ein Medaillonkästchen in ihre Tasche gleiten zu lassen. Normalerweise wurden solche Straftaten der gut Betuchten stillschweigend vertuscht.
    Zum Pech für Lydia und den Rest der »oberen Vierhundert« kannte man jedoch bei der Sun keine Klassenritterlichkeit. Ein einfallsreicher Kriminalreporter hatte einen Ladendetektiv bestochen, und die Geschichte verbreitete sich somit schnell. Innerhalb weniger Stunden war Lydias Untergang besiegelt.
    »Man bedenke nur«, mischte eine kräftige, wohlbekannte Stimme hinter Mystere sich ein, »wenn Lydias vornehmer Diebstahl ihr

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