Diebin der Nacht
begnadeter - wenn auch ein wenig besitzergreifender - Tänzer war. Aber wie heftig auch immer er sie in eine Drehung hineinschleuderte, so gelang es ihr doch jedes Mal, diese in eine anmutige Pirouette zu verwandeln und zum perfekten Zeitpunkt in seine Arme zurückzukehren.
Ein Wolkenberg, der sich vor den Mond geschoben hatte, gab ihn plötzlich frei, und in seinem Licht wurde die Oberfläche des Hudson hinter dem Pavillon zu einem Meer glitzernder Diamanten. Zum ersten Mal an diesem Abend fingen die lustlosen, hinter der eisernen Umzäunung lauernden Klatschkolumnisten an, ungestüm Notizen zu kritzeln.
»Mein Kompliment, Miss Rillieux«, murmelte Rafe in ihr Haar. »Man sagt mir nach, dass ich zu gewaltsam führe, Sie jedoch schaffen es, mich sanft aussehen zu lassen.«
Sie ignorierte ihn einfach. Vier gleitende Schritte, sein kräftiger Stoß, und ihre perfekte Balance ließ sie wie eine Fechterin wieder zu ihm zurücktreiben.
»Sie vermitteln mir den Eindruck, als machten Sie sich ständig über mich lustig«, beschuldigte sie ihn.
»Und dabei würde ich viel Li eber einen B li ck unter Ihr Unterkleid werfen«, erwiderte er scharf und lachte, als sich ihre Wangen rosig färbten.
»Und außerdem sind Sie sehr schnell bei der Hand mit solch unschicklichen Ausflüchten.«
»Ausweichen, abwehren und vorstoßen«, antwortete er, während er sie auf Armeslänge hinauswirbelte. Immer wieder Heß irgendein unsichtbares Gegengewicht Mystere in seine Arme zurückdrehen - mit solch anmutiger Präzision, dass um sie herum spontaner Applaus ausbrach.
Schon bald hatte jeder - einsch li eßlich der Journalisten draußen - wahrgenommen, wie großartig Rafe Belloch und Mystere Rillieux miteinander tanzten. Viele vermuteten, dass das Ganze bewusst geplant war, um einen weiteren dieser durchschnitt li chen Bälle zu beleben.
Sie hatten inzwischen einige andere Paare auf die Tanzfläche im Pavillon gelockt. Die ersten, die zu ihnen stießen, waren die Neureichen - nur wenige von ihnen waren New Yorker durch Geburt. Dann aber, gerade nachdem sie öffentlich den letzten Ball der Vanderbilts gepriesen hatte, Heß Mrs. Astor sich herab, mitten unter ihnen zu tanzen, wobei Ward McCallister ihr seinen allgegenwärtigen Geleitschutz gab.
»Alles, was Sie tun, tun Sie mit ziemlicher Vo ll endung, habe ich Recht?« Belloch erforschte Mystere auf eine seltsame Weise, diesmal jedoch ohne Sarkasmus in der Stimme.
Als er sie am Ende des Tanzes innehalten ließ, schenkte sie ihm einen kleinen, eleganten Knicks. »Alles würde ich nicht unbedingt sagen«, antwortete sie ihm abweisend.
Sein Blick war unbarmherzig und ließ ihr keine Möglichkeit, ihm auszuweichen. »Nun, ich kann mir in der Tat vor- stellen, dass es eine Menge Dinge gibt, die Sie noch nicht ausprobiert haben.«
»Das stimmt, aber einige von ihnen habe ich noch vor kennen zu lernen, mein Herr.«
Er lachte, während er noch immer ihre Hand hielt, damit sie ihm nicht entkommen konnte. »Oh, das ist ausgezeichnet. Das >mein Herr< haben Sie perfekt eingeworfen. Jung und unschuldig, die Debütantin, nicht wahr? Nun gut, denken Sie jedoch immer daran - im Hinblick auf die Dinge, die Sie noch nicht getan, jedoch Vorhaben zu tun ... dass die Gedanken frei sind. Niemand kann verhaftet werden für seine persönlichen Gedankenbilder.«
»Das habe ich auch schon begriffen, ohne dass Sie es mir erst sagen müssen.«
Sein Blick glitt auf ihre Brust hinunter. »Natürlich haben Sie das, aber es erregt mich, mit Ihnen über solche Dinge zu reden.«
Sie versuchte sich zu befreien, er jedoch hielt sie zurück.
»Ja«, sagte er mit neu gewonnener Überzeugung und schaute fest in ihre lebhaften blauen Augen. Er hielt eine Hand über ihre untere Gesichtshälfte, als wolle er einen Domino nachahmen. Dann lächelte er triumphierend. »Sie waren es. Das Licht war zwar schwach in jener Nacht, aber Sie waren es. Wenn ich Sie gleich jetzt nackt ausziehen würde...«
Die Kapelle setzte mit einem weiteren Walzer ein. Er fegte sie herum...
»In welcher Nacht?«, fragte sie ihn, als ob er nichts anderes gesagt hätte.
Er jedoch stieß angesichts ihrer gespielten Verblüffung nur wieder ein zynisches Lachen aus.
»Sie sind eine gute Schauspielerin«, gab er zu, »aber irgendetwas tief in ihrem Inneren kann Täuschungen nicht akzeptieren, wie das Ihrem Heben Onkel gelingt.«
Er führte sie unerbittlich durch die Menge der tanzenden Paare, bis sie beide völlig außer Atem waren. Seine
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