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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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auftauchen könnte. Im Inneren des Hauses, wo die Sanfords, Mrs. Astor und ein paar andere eine Empfangsreihe für die Gäste gebildet hatten, konnte sie kein Anzeichen von ihm entdecken; auch draußen war er nirgends unter den geladenen Gästen zu finden, die sich zwischen der Galerie und dem angrenzenden Pavillon verteilten, an dessen vorderem Ende ein Orchester seine Instrumente stimmte.
    In der mit Säulen versehenen Galerie hatte sich schon eine große Gruppe zusammengefunden, deren Mittelpunkt die Vanderbilt- Schwestem Alva und Alice bildeten. Sie waren jedoch eher mit Gesprächen beschäftigt als mit dem Bilden von Paaren zum Tanzen. Selbst drei Monate nach dem ausführlich besprochenen Vanderbilt-Ball waren die Penny-Zeitungen noch immer voll mit Artikeln über das Kostüm, das Alice getragen hatte. Sie war als »Elektrisches Licht« in einem unglaublichen Kleid aus weißem Satin erschienen, das voller Diamanten gefunkelt hatte - echten Diamanten auf einem Kleid, das sie nur dieses einzige Mal tragen sollte.
    Wie nach der Begrüßungszeremonie üblich, stießen die Männer zu der betagten alten Garde nach draußen, um Zigarren zu rauchen und Gespräche über Politik führen zu können. Das Matriarchat persönlich, in der Person Mrs. Astors, königlich gekleidet in einen Umhang mit Seehundsfellkragen, erhob Anspruch auf Paul Rillieux’ Gesellschaft.
    »Sie«, sagte sie zu Mystere, als sie diese für einen Moment zur Seite nahm, »sind das Abbild der Unschuld, und ich zum Beispiel halte dieses Bild für echt. Vergessen Sie das nicht, wenn andere einen Schatten auf Ihren Namen werfen wollen.«
    »Hat irgendjemand das getan?«
    Caroline schaute sich eingehend das Gesicht der jungen Frau an, dann schüttelte sie voller Staunen ihren Kopf. »Sehr wahrscheinlich, sonst wird es in Kürze geschehen. Aber machen Sie sich nichts daraus, Mystere. Die Öffentlichkeit hat einen unstillbaren Durst, all die Details der Reichen zu erfahren, verstehen Sie. Und publizierende Schurken wie J. Gordon Bennett sind erpicht darauf, diese Details zu liefern, selbst wenn das bedeutet, Informanten zu beschäftigen, die richtiggehend Lügen verbreiten und uns namentlich verleumden.«
    Sie gingen ein paar Schritte, und Ward McCallister folgte ihnen immer im gleichen, diskreten Abstand - nicht nah genug, um lauschen zu können, jedoch bereit für den Fall, dass seine Herrin ein Datum oder irgendeine neue Gelegenheit aufgeschrieben haben wollte, »die sich ergeben hatte«, wie Caroline das Zustandekommen des gesellschaftlichen Terminkalenders bezeichnete. Sein unterwürfiges Gesicht und seine ebensolchen Umgangsformen irritierten einige, veranlassten jedoch andere, ihm großen Respekt zu zollen.
    »Amüsieren Sie sich ganz einfach, meine Liebe«, drängte Caroline sie. »Mischen Sie sich unter die Menge, lassen Sie Ihre Jugend die Führung übernehmen, und beachten Sie diejenigen von uns einfach nicht, die nicht anders können, als alles zu verhöhnen. Sie haben Ihr Leben noch vor sich, Sie sind wunderschön, und die Männer begehren Sie. Ich beneide Sie, Mystere. Aber denken Sie immer daran, dass Skandale schnell entfacht sind, es für gewöhnlich jedoch unmöglich ist, sie vergessen zu machen. Sie haben keine Mutter, die Ihnen Ratschläge erteilen könnte, Sie armes Ding, aber ich teile Carries aufrichtige Zuneigung zu Ihnen, und das ist der Grund dafür, warum ich solche Dinge Ihnen gegenüber erwähne, mein liebes Mädchen.«
    Nach diesen alarmierenden Worten gesellte sie sich wieder zu Paul und überließ Mystere sich selbst. Ganz in der Nähe hatte sich eine zweite Menschenansammlung um Antonia Butler he ru m gebildet, in der Hauptsache Frauen, die ihrem neuen Ring Ehrerbietung erwiesen. Mystere zögerte nicht und begab sich ebenfalls dorthin, um sich unter die Bewunderer zu mischen, denn sie wusste, dass sie sich nicht durch Distanziertheit selber verdächtig machen durfte.
    »Mystere! Wie ausgesprochen nett, Sie wiederzusehen«, erging Antonia sich in der Tonart, die sie für diejenigen reserviert hatte, die nicht ihre volle Begeiste ru ng hervorriefen. »Sie sehen ziemlich hübsch aus heute Abend. Und vor allem gut geschützt für den Fall, dass es plötzlich frisch werden sollte.«
    Die letzte Bemerkung war bissig und verursachte bei einigen ein heimliches Lächeln, denn sie war ein offensichtlicher Hieb gegen Mysteres Kleidung. Die gegenwärtigen Abendroben der Damen ließen einen großen Teil des Rückens und der Schultern

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