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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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um.
    Seine Augen versprachen Verdammnis. Er deutete auf seine schwarze Krawatte, wo sich normalerweise die goldene Nadel befand. Die ganze Zeit über schien er gewusst zu haben, dass sie die Nadel an sich genommen hatte. »Das wird Ihr Verderben sein, Lady Moonlight«, stieß er aus.

11
    Noch bevor die Sonne aufgegangen war, schlängelten sich Menschen und Transportmittel durch die Straßen des unteren Manhattan. Hush begann um kurz nach sieben die Wohnung auf der Amos Street zu überwachen. Um kurz nach acht, den Glocken der St. Pauls Chapel nach zu urteilen, trat eine stämmige Frau in einem verblichenen Kattunkleid aus dem privaten Straßeneingang heraus, der sich im Erdgeschoss direkt um die Ecke der Apotheke herum befand. Sie ging über die gepflasterte Straße zu einer Bäckerei hinüber und kehrte mit einem in Wachspapier eingewickelten Brot zurück.
    Die nächsten beiden Stunden schleppten sich für Hush nur langsam dahin, so langsam wie das Beten, das er jedes Mal über sich ergehen lassen musste, bevor er die freie Mahlzeit in der Methodistenmission bekam. Er hatte einen guten Aussichtspunkt auf dem Dach eines dreistöckigen Warenhauses auf der gegenüberliegenden Seite der Straße. Inzwischen kannte er die Lower East Side so gut, dass er den größten Teil auf den Dächern der Gebäude hätte überqueren können, um auf diese Weise dem Verkehr, der Polizei und den sich herumtreibenden Banden auszuweichen.
    Ein stetiger Strom von Kunden betrat die Apotheke und kam mit Mineralwasser, Salzen und Medikamenten jeglicher Art wieder heraus. Die Kirchenglocken schlugen zehn und noch immer keine Spur von dem Mann, den Mystere ihn gebeten hatte zu überwachen. Es war kein Sonntag, warum also war der Mann noch nicht zur Arbeit gegangen? Bei diesem Viertel handelte es sich nicht um einen Slum, andererseits war es aber auch kein Viertel, in dem die Reichen wohnten.
    Gelangweilt und hungrig kletterte Hush die wackelige Hintertreppe hinunter und schlenderte in die Cherry Street hinüber. Dort kaufte er sich einen Apfel.
    Nachdem sein Appetit vorerst gestillt war, bemerkte der Zwölfjährige eine gut gekleidete ältere Frau, die an der Ecke auf ihren Einspänner wartete. Eine riesige Tasche aus Samt hing an ihrem rechten Arm. Mit geschultem Auge nahm er den Messingverschluss wahr und erkannte ihn als einen von der Sorte, mit der er leicht fertig werden konnte.
    Er schaute sich um, um sicherzugehen, dass sich keine Polizisten in der Nähe befanden. Dann fischte er einen Ohrring aus seiner Tasche - Rillieux hatte ihm beigebracht, möglichst mit Ablenkungsmanövern zu arbeiten - und ließ ihn links von der Frau auf den Gehsteig fallen.
    »Tschuldigung, Ma’am«, meldete er sich. »Haben Sie vielleicht Ihren Ohrring verloren?«
    Er zeigte auf diesen, und ihr neugieriger Blick folgte seinem Finger. Die paar Sekunden, die sie damit verbrachte, sich den Ohrring genauer anzuschauen, waren mehr als genug für ihn, um die italienische Lederbrieftasche aus ihrer Handtasche zu ziehen und sie hinter sein Hemd zu stecken.
    »Nein, es ist nicht meiner, junger Mann, aber trotzdem vielen Dank, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben.«
    »Oh, nun denn, wer’s findet, dem gehört’s«, sagte er, steckte den Ohrring ein und eilte davon.
    Wie man es ihm beigebracht hatte, würde er in dieser Gegend nun ein paar Wochen lang nichts mehr stehlen. Und er würde nicht einmal einen Blick auf den Inhalt der Brieftasche werfen - sie würde sofort an Rillieux und die Familienkasse gehen. Die Familie ... seine Familie, wenn er sich an sämtliche Regeln hielt.
    Er kehrte zu seinem Posten auf dem Lagerhaus zurück. Schon bald wurde ihm wieder langweilig; er brauchte jedoch nur daran zu denken, dass er nun schon bald im selben Hause leben sollte wie Mystere - und er konnte wieder diesen Knoten in seinem Magen spüren. Sie gehörte direkt zu den »oberen Vierhundert«, okay, wenn sie auch praktisch zugegeben hatte, diese Lady Moonlight zu sein. Er war entschlossen, gute Arbeit für sie zu leisten. Wirklich, dachte er - als er sich ihre samtene Stimme und ihre elfenbeinfarbene Haut vorstellte -, ich würde mich mit einer Tasche voller Knallkörper in die Hölle schleichen, wenn sie mich darum bäte.
    Kurz nach Mittag wurde seine Geduld belohnt. Ein großer, dunkler Mann mit Koteletten, behaarten Händen und spreizfüßigem Gang blieb vor der Tür stehen und schlug den Türklopfer aus Messing. Er wurde eingelassen und kam ein paar Minuten später

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