Diebin der Nacht
muss - das ist nicht gerade eine lächerliche Summe.«
»Es ist aber auch nicht gerade ein lächerlicher Gewinn, oder?«
»Vielleicht, ich hab jedenfalls nur einen Teil des Geldes. Ich muss noch ungefähr vierhundert auftreiben.«
»Bist du in der Lage, das ziemlich flott zu besorgen? Nick hat noch andere Interessenten auf seiner Liste, wenn wir nicht wollen.«
»Könnte sein, dass ich mit dabei bin«, erwiderte Lorenzo nickend. »Ich hab zurzeit ’ne ziemlich reiche Kundin. Weißt du, sie -«
»Alles klar, Hauptsache du kriegst es. Aber denk dran, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wir müssen schnell handeln, du und ich.«
Selbst als Lorenzo immer betrunkener wurde, bemerkte Hush, wie seine Stimme ihre ausdruckslose Tonlage beibehielt. Sie tranken mittlerweile ihr drittes Bier, und wiederum bezahlte Sparky. Seltsam, wenn man bedachte, dass Lorenzo es war, der Anzug und Weste trug. Es sei denn, Sparky will ihn hereinlegen, dachte Hush, bestimmt, und Mystere ist diese »ziemlich reiche Kundin«, von der Lorenzo gesprochen hatte.
Inzwischen hatte der Schankkellner Hush entdeckt und wies ihm die Tür. Schon kurze Zeit nach ihm kamen jedoch auch die beiden Männer nach draußen, schüttelten sich die Hände und trennten sich. Sparky ging zurück in Richtung Hafenviertel, während Lorenzo nur bis zum unteren Teil der Fifth Avenue hinüberging.
Hush war überrascht, als er durch den Triumphbogen hindurch den Washington Square betrat. Er ging zur Nordostseite des Platzes hinüber, und zunächst war Hush sich sicher, dass er das marmorverkleidete Verwaltungsgebäude der New York University betreten würde.
Statt dessen jedoch ging er auf eine Reihe hübscher Wohnungen aus Backstein und Steinmetzarbeiten direkt hinter der Universität zu. Er zog am Klingelzug des Hauses Washington Square Nr. 17 und wurde von einer schlanken, lächelnden jungen Frau eingelassen, die ihr wallendes, dunkles Haar offen trug.
Hush machte einen Bogen um den Platz herum, denn er musste vorsichtig wegen eines Polizisten sein, der sich unter dem Triumphbogen aufhielt. Einen Block weiter westlich vom Platz kam eine Gruppe junger Mädchen aus einer riesigen Hemdenfabrik aus Backstein heraus, nachdem sie ihr morgendliches Arbeitspensum erfüllt hatten. Während der Polizist abgelenkt war, da er mit einer von ihnen flirtete, tauchte Hush in den nahe gelegenen Gartenstreifen zwischen Nr. 17 und dem daneben stehenden Gebäude unter.
An dem ersten Fenster, das er erreichen konnte, und wo eine Lücke zwischen den Spitzenvorhängen es ihm erlaubte, hindurchzuschauen, machte er halt. Er erhaschte einen Blick von einer Lilientapete, von Wandteppichen aus Petitpoint-Stickereien und von hohen Vitrinen, die mit glasierten Porzellanfiguren vollgestellt waren. Es schien sich jedoch niemand in dem Raum aufzuhalten.
Er huschte zum nächsten Fenster hinüber. Hier waren die Vorhänge dicht zusammengezogen, Hush drückte jedoch ein Ohr an die Scheibe. Die Geräusche, die er drinnen hören konnte, waren ihm wohl bekannt; er hatte sie vor langer Zeit schon durch das Wohnen in überfüllten Mietskasernen kennen gelernt. Lorenzos Frau lebte auf der Amos Street, so viel war klar, aber anscheinend hielt er sich außerdem eine Hure am Washington Square. Und Hush konnte sich inzwischen ziemlich gut vorstellen, mit wessen Geld er diese bezahlte.
So sehr ihm das auch missfiel, entschied er doch, dass es Zeit war, Mystere aufzusuchen.
»Wenn du mich fragst, ich würd sagen, dass er für dein Geld nichts anderes tut als Däumchendrehen«, informierte Hush Mystere beinahe im gleichen Moment, als seine zweite Lesestunde beendet war. Sie hatte darauf bestanden, zuerst die Stunde abzuhalten, da sie befürchtete, dass der Bericht des Jungen sie zu sehr aufregen würde. »Und er will noch mehr für irgendeinen Plan, Affen und Orgeln zu vermieten.«
»Ich hatte nie etwas davon gesagt, dass ich ihm Geld gebe«, ließ sie ihn wissen, machte sich aber andererseits nicht die Mühe, es abzustreiten.
»Nun, er sitzt einfach auf seinem Hintern rum, wenn er nicht gerade säuft oder seine Hu- seine Geliebte besucht. Und sein Kumpel Sparky, der ist keinen Pfifferling wert.
Kannst ruhig jeden fragen, der ihn kennt - alles, was du von ’nem Typen wie dem erwarten kannst, ist wenig Leistung für viel Geld.«
Hush hielt die Fibel fest, die Mystere ihm an diesem Tag gegeben hatte. Sie hatten beide ihre gewohnten Plätze im Salon eingenommen. Mystere war froh, dass sie zuerst auf
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