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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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sehen konnte: zur verarmten Oberschicht gehörende Kreaturen, für die harte Zeiten angebrochen waren und die sich stolz, aber mittellos abmühten, sich in irgendeiner untergeordneten Funktion den Reichen anschließen zu können.
    Nein, sie durfte es nicht zulassen, dass diese zerstörerische Angst sie verschlang; sie musste für sich selbst und für Bram stark sein. Selbst heute noch hatte sie die große Messingtafel vor Augen, die sie, Bram und die anderen Kinder im Kinderheim jeden Abend vor dem Beten lesen mussten, diese prägnante Weisheit von Cornelius Vanderbilt: Lass andere tun, was ich getan habe, dann brauchen sie auch nicht hier sein und betteln.
    In Ordnung also, beschloss sie, von jetzt an werde ich zäh sein und einen eisernen Willen haben, wie der Kommodore.
    »Kutscher«, rief sie nach oben, »fahren Sie mich bitte zum Bethesda-Brunnen!«
     
    »Das ist ein verdammt schwieriger Job«, fing Lorenzo seinen Bericht an - was wahrscheinlich der einzige Teil war, der der Wahrheit entsprach. »In diesen letzten paar Tagen hab ich mich vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang schwer ins Zeug gelegt.«
    Das war eine schamlose Lüge, und sie wusste das. Seine glanzlosen kleinen Schildkrötenaugen starrten auf die Bootsfahrer auf dem See und wichen so ihrem prüfenden Blick aus. Seine gewohnt missmutige, teilnahmslose Stimmung war von einer Eindringlichkeit abgelöst worden, die sie bisher noch nicht begriffen hatte - obwohl sie sich an Hushs Bericht erinnerte, dass Lorenzo und Sparky irgendeinen Plan ausheckten, für den sie Geld benötigten.
    Noch bevor sie ihn jedoch der Lüge bezichtigen konnte, fuhr er übereilt fort, ganz so, als würde er ahnen, warum sie ihn um ein Treffen gebeten hatte: »Ich glaube aber, dass meine Bemühungen sich bezahlt gemacht haben.« Trotz ihrer Entschlossenheit, das Ganze zu beenden, musste Mystere noch diesen einen Köder schlucken, für alle Fälle.
    »Und...?«, ermutigte sie ihn.
    »Es ist dieser Typ da auf Blackwells Island, wissen Sie, ein Gefängniswärter. Es wäre möglich, dass Ihr Bram vor einiger Zeit in seinem Zellenrevier eingesperrt gewesen war.«
    »Es wäre >möglich    Perkins stieß einen langen Seufzer aus, so als sei er ein geduldiger, ausgenutzter Mann. »Natürlich weiß er es. Aber Sie haben keine Vorstellung davon«, versicherte er ihr, »wie habgierig und ungehobelt diese Gefängnisschließer sind.«
    »Ich verstehe. Sie wollen mehr Geld, ist es das?«
    Mit einer Geste der Hilflosigkeit öffnete er beide Hände. »Es ist ja nicht für mich, sondern um ihre Zungen zu ölen.«
    Buchstäblich angewidert durch sein lügendes Gesicht wandte sie ihre Augen ein paar Sekunden lang dem prachtvollen bronzenen Engel zu, der sich triumphierend aus dem Wasser erhob. Gerade jetzt spendete die Statue ihr großen Trost, denn sie glaubte, dass es trotz Lorenzo Perkins und allem, was sie erlitten hatte, derselbe Engel war, der sie nach New York geführt hatte, damit sie dort ihrem Schicksal entgegentreten konnte. Und sie würde ihm entgegentreten.
    »Mr. Perkins«, sagte sie mit einer Stimme voll unerschütterlicher Entschlossenheit und einer Spur von Zorn zu ihm, »Sie haben während der letzten Tage nicht an meinem Fall gearbeitet, und das wissen Sie genau.«
    Perkins wurde vor Überraschung kreidebleich. Derart überrumpelt fiel er auf seine ermüdende Lieblingsmaxime zurück. »Man sollte seine Schlussfolgerungen nie höher ansetzen als sein Beweismaterial.«
    »Nun, wie wäre das als Beweis? Sie haben den größten Teil des gestrigen Tages sowohl zu Hause verbracht als auch beim Biertrinken mit einem Kumpel auf dem Broadway, und dann haben Sie eine ... Freundin am Washington Square besucht.«
    Sein Unterkiefer fiel herunter.
    Für einen so unehrlichen Mann, dachte sie, ist er ein verdammt schlechter Lügner.
    »Das ist Blödsinn«, protestierte er. »Sicher, ich habe gestern ein wenig freigenommen, da stimme ich ihnen zu.«
    Für seine Verhältnisse ist das ganz schön gerissen, dachte sie. »Es handelt sich aber nicht nur um den gestrigen Tag«, beharrte sie. »Sie sind in letzter Zeit nie auch nur in die Nähe von Blackwelfs Island gekommen.«
    Das konnte sie zwar nicht beweisen, aber es musste der Wahrheit entsprechen, denn er stritt es nicht ab. Er blickte sie nur finster an, als ob seine üble Laune schlimmer wäre als ihr Groll. Nachdem sie sich jedoch nicht einschüchte rn ließ, verlangte er zu erfahren: »Wer sagt das?«, als ob

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