Diebin der Nacht
aufschaute und über irgendetwas lachte, das er gerade gesagt hatte.
Mystere hatte jedoch keine Zeit, sich über Carolines rätselhafte Reaktion zu wundem. Rafe hatte sie entdeckt und kam nun gemeinsam mit Antonia direkt auf ihren Tisch zu.
»Tut mir Leid, mein Lieber«, begrüßte Abbot ihn mit deutlicher Verachtung in der Stimme. »Unser Tisch ist zu klein, um zwei weitere Gäste aufzunehmen.«
Caroline machte ein finsteres Gesicht angesichts dieser rüpelhaften Unhöflichkeit seitens Abbots.
Abbot errötete und schluckte so schwer, dass sein Adamsapfel hervortrat.
»Ich muss doch sehr bitten«, protestierte Caroline, »nun übertreiben Sie aber wirklich.«
»Wir können Ihnen sowieso keine Gesellschaft leisten. Ich habe oben einen Raum reserviert«, stieß Rafe aus.
Caroline Astor starrte Antonia an. Jeder wusste, wofür die Privaträume oben im Delmonico’s bestimmt waren. Die kulinarischen Köstlichkeiten wurden nur sehr wenig gewürdigt, wenn erst einmal die Türen geschlossen waren.
Antonia fing an, mit Caroline zu plaudern, um so ihre Nervosität zu verbergen, während Abbot finster auf seinen Teller starrte. Mystere fühlte Rafes intensiven Blick auf sich gerichtet.
Er stellte sich hinter ihren Stuhl und brachte seine Lippen nahe an ihr linkes Ohr.
»Lady Moonlight«, flüsterte er.
Bevor er sich wieder aufrichtete, berührte die feuchte Spitze seiner Zunge kaum wahrnehmbar ihr Ohr. Diese Berührung hätte sie abstoßen und wütend machen sollen; stattdessen lief jedoch eine heiße Welle der Erregung durch ihren Körper.
Er wünschte Caroline einen guten Tag, nahm wieder Antonias Arm und führte sie zur Treppe hinüber.
»Antonia und Rafe«, sagte Abbot grüblerisch. »Nun, vielleicht werden die Klatschkolumnisten Sie jetzt in Ruhe lassen, Mystere.«
»Ich würde nicht zu viel in das hineininterpretieren, was Sie da gesehen haben«, warnte Caroline ihn. »Rafe Beiloch ist ein vielschichtiger Mann, der ein bestimmtes Ziel verfolgt, und die oberflächlichen Ereignisse geben keinerlei Aufschluss darüber, was ihn wirklich interessiert.«
Die Augen der Lady blieben auf Mystere gerichtet, als sie hinzufügte: »Und was ihn wirklich interessiert - den Verdacht habe ich langsam -, ist ein bewusst herbeigeführter, öffentlicher Skandal.«
Inzwischen glaubte Mystere, ihrer Stimme wieder vertrauen zu können. »Aber Mrs. Astor, warum sollte er etwas so Leichtsinniges und Sinnloses tun?«
»Leichtsinnig sein, ja, das hegt in seiner Natur. Sein Vater war es auch, und es hat ihn ruiniert. Aber Sinnloses tun? Er sieht es wahrscheinlich anders.«
Mystere wollte fragen, was sie damit meinte, dass sein Vater sich selbst ruiniert habe. Abbot erhob jedoch noch vor ihr seine Stimme.
»Belloch will, dass jeder ihn als einen gequälten Idealisten sieht«, sagte er mit vor Verachtung schriller Stimme. »Einen Idealisten mit einem Groll im Herzen, der nach Rache schreit.«
Mystere wandte sich augenblicklich an Abbot. »Was für einen Groll?«
»Egal, das ist eine alte Geschichte«, sagte Caroline abweisend. »Meine Liebe, Sie müssen mir etwas versprechen.«
»Ja?«
»Am kommenden Wochenende auf dem Addison-Ball - werden Sie mir versprechen, Rafe gegenüber vorsichtiger zu sein?«
Mystere spürte, wie ihr Hitze ins Gesicht stieg. »Ich ? Ich bin doch nicht diejenige, die sich ihm aufdrängt.«
»Meine Liebe, Männer sind von Natur aus aggressiv, vor allem amerikanische Männer. Es ist die Aufgabe der Frauen, diese Aggression in Schranken zu halten. Sie sind noch jung und müssen lernen...«
»Im Gegensatz zu Antonia«, warf Abbot ein, »die ist jung und wohl bewandert. Seht sie euch nur an, diese kleine Dirne - lässt sich von einem Mann nach oben führen. Und das in aller Öffentlichkeit.«
»Unterbrechen Sie mich noch ein Mal, Abbot«, wies Mrs. Astor ihn mit kalter Autorität zurecht, »und Ihr guter Ruf wird in dieser Stadt wertlos sein.«
Abbot wurde weiß wie eine Kalkwand.
Erneut verspürte Mystere einen unangenehmen Eifersuchtsstich - und Verärgerung über die vertraulichen Freiheiten, die Rafe sich herausgenommen hatte. Nun war er also mit einer Frau zusammen, die sie voll und ganz verachtete.
Caroline wandte sich nochmals an Mystere. »Versprechen Sie mir, dass Sie diesen Skandal im Keime ersticken werden, meine Liebe. Ich bewundere eine Menge an Rafe Belloch, aber ich werde nicht tatenlos dabei Zusehen, wie er Sie ruiniert. Versprechen Sie mir, nicht zuzulassen, dass der Addison-Ball oder
Weitere Kostenlose Bücher