Diener der Finsternis
der Tod das letzte ist, was ich fürchte? Ein Blick aus den Augen des Bocks kann dich mit Wahnsinn schlagen. Wo bleibt dann der Fall für die Polizei?«
»Ich werde das Risiko auf mich nehmen.« Er erhob das Kruzifix. »Das wird mich schützen, weil ich daran glaube.«
»Auch der Wahnsinn ist nicht das Schlimmste, was uns zustoßen kann«, fuhr der Herzog fort. »Dies Leben bedeutet nichts – ich denke an das nächste. O Gott, wenn doch der Morgen käme oder wir irgendein Licht hätten, mit dem wir die Diener der Finsternis bannen könnten!«
»Wir hätten einen Scheinwerfer auf einem Lastwagen mitbringen sollen«, sagte Rex, »wenn das Licht die Macht hat, die du ihm zuschreibst. Aber es ist zwecklos, jetzt darüber nachzudenken. Wir müssen uns beeilen.«
»Nein – warte!« rief der Herzog in plötzlicher Aufregung. »Ich hab’s! Hier lang – schnell!« In gebückter Haltung rannte er schnell den Hang hinauf und auf den Hispano zu. »Die Autoscheinwerfer!«
Rex überholte ihn und riß die Tür auf. Der Herzog stieg ein und ließ den Motor an.
»Stell dich auf das Trittbrett, Rex!« De Richleau hatte seine stahlharte Entschlossenheit wiedergewonnen. »Schalte die Scheinwerfer ein, sobald wir abwärts rollen. Wirf das Kruzifix auf das Ding auf dem Thron. Dann versuche, Simon zu packen.«
»Los!« Rex lachte wild. Endlich wurde gehandelt. Sein Entsetzen wich kalter Entschlossenheit.
Mit der Plötzlichkeit eines Donnerschlags brachen sie in die Stille des Tals ein. Gleichzeitig wurde die ganze Szene hell beleuchtet. Mit großer Geschwindigkeit hielt der Herzog genau auf den Bock von Mendes auf seinem satanischen Thron zu.
Als die Teufelsanbeter von dem Licht getroffen wurden, rannten sie schreiend in Deckung. Ihre wahnsinnige Besessenheit ebbte ab. Die durch Alkohol, drogenhaltigen Weihrauch und Einsalben ihrer Körper hervorgerufene Hochstimmung verflog. Sie fanden sich auf einmal, wie aus einem Traum erwacht, in ihrer ganzen Nacktheit und Hilflosigkeit wieder.
Einige von ihnen dachten, jetzt würden sie von den Mächten der Finsternis geholt. Andere vergaßen das höllische Wesen, dessen Hilfe sie durch ihre Huldigung hatten erlangen wollen, und sahen sich schon in einen fürchterlichen Skandal verwickelt, wenn sie von der Polizei, die sie in dem Hispano vermuteten, festgenommen würden.
Rex fürchtete für einen Augenblick, die Verderben bringenden Strahlen, die aus den schielenden Augen des Bocks schossen, könnten die Scheinwerfer des Wagens auslöschen. Sie flackerten und wurden trübe. Aber mit derselben Energie, mit der der Herzog das Lenkrad umklammerte, konzentrierte Rex sich auf die Vorstellung, seine Stirn werde von einem Hufeisen umschlossen, über dem ein Kreuz silbern in der Dunkelheit leuchtete. Gleichzeitig betete er auf Geheiß de Richleaus den 91. Psalm, der ein mächtiger Schutz gegen alles Böse ist.
»Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,
Der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.
Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der schädlichen Pestilenz.«
Mit aller Kraft warf Rex das Ebenholzkruzifix genau in das Gesicht des monströsen Tieres.
Der Herzog wich dem Thron aus. Völlig allein und ohne Bewußtsein dessen, was um ihn geschah, stand Simon davor.
Die blauen Flammen der schwarzen Kerzen erloschen, als habe eine unsichtbare Hand sie ausgedrückt. Die Scheinwerfer des Wagens leuchteten wieder hell auf. Ein schreckliches, kreischendes Meckern war zu hören, das die ganze verlassene Ebene zu erfüllen schien. Der Bock auf den Felsen verschwand, ein Gestank nach verbranntem Fleisch, Pech und Schwefel füllte die Luft.
Im selben Augenblick faßte Rex Simon und zog ihn auf das Trittbrett.
Holpernd und rumpelnd fuhr der Hispano die Anhöhe wieder hinauf. Oben auf dem Hügelrücken blieb er eine Sekunde stehen, als werde er in das Tal zurückgezogen. Aber der Herzog schaltete den Gang zurück, und langsam gewannen sie ebenen Boden.
Inzwischen hatte Rex die hintere Tür aufgerissen und Simon ins Wageninnere gestoßen. Er brach auf dem Boden zusammen. Einen Blick warf Rex noch zurück in das Tal. Es lag dunkel und schweigend da, als sei nichts dort geschehen.
Jetzt konnte der Herzog schneller fahren, wenn er auch auf verborgene Löcher und Erdspalten achtgeben mußte. Er murmelte die schutzgebenden Verse vor sich hin:
»Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine
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