Diener des Boesen
besonders merkwürdig war die Tatsache, dass sie eigentlich gar nicht auf der Welt sein dürfte.
Sie hatte Katherine während jenes Winters empfangen, als sie vom Herzog von Burgund in einer Festung gefangen gehalten wurde. Der Herzog wollte König Johann um ein Lösegeld für sie erpressen, bis ihm nach vier Monaten endlich klar wurde, dass der König nicht ein Goldstück dafür bezahlen würde, seine Schwiegertochter wiederzubekommen. Schließlich hatte der Herzog sich gezwungen gesehen, sie unter Flüchen und Verwünschungen wieder freizulassen.
Katherine war nicht Ludwigs Tochter. Bei Hofe wurde im Allgemeinen angenommen, dass sich Isabella während ihrer Gefangenschaft mit irgendeinem Wärter oder einem Koch vergnügt hatte.
Nur Isabella selbst kannte die Wahrheit. Während dieser vier Monate hatte sie keinem einzigen Mann beigewohnt. Als Isabella zwei Wochen bevor der Herzog sie schließlich freiließ, feststellte, dass sie schwanger war, war sie außer sich vor Furcht gewesen.
Welcher Kobold hatte ihr dieses Kind angehängt? Was für eine Missgeburt würde sie zur Welt bringen?
Da sie die Antwort auf beide Fragen nicht wissen wollte, hatte sie jeden Trank und jedes Kraut ausprobiert, das sie kannte, um sich von dem Kind zu befreien, das in ihr heranwuchs. Doch es hatte nichts genützt. Voller Furcht war Isabella ins Gebärzimmer gegangen, der festen Überzeugung, dass sie die Geburt des Kindes nicht überleben würde.
Doch die Geburt war überraschend einfach und schmerzfrei verlaufen, und Isabella hatte sich schnell wieder davon erholt. Das Kind, Katherine, hatte menschliche Züge gehabt, und Isabella hatte sich irgendwann eingeredet, dass sie wohl doch eines Abends zu sehr dem Wein zugesprochen und sich mit irgendeinem der übelriechenden Wärter getröstet haben musste.
Doch manchmal, so wie heute, fühlte sie sich stark genug, um sich die Wahrheit einzugestehen.
Katherine war von keinem sterblichen Mann gezeugt worden, und bei ihrer Empfängnis war es nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Kapitel Elf
Das Fest des heiligen Michael
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Donnerstag, 29. September 1379)
– MICHAELISTAG –
– I –
Marys Mutter Cecilia und Bolingbroke hatten keine Kosten gescheut, um Mary mit den schönsten Gewändern auszustatten.
Schade nur, dachte Margaret, als sie Mary vorsichtig in ihr Hochzeitskleid half, dass sie nicht etwas gewählt haben, das besser zu Marys schlichter und zurückhaltender Schönheit passt.
Das Kleid bestand aus einem schweren dunkelroten Damaststoff, und sein Mieder und die weiten Röcke und prunkvollen Ärmel waren über und über mit Perlen und Edelsteinen besetzt. Farbe und Schmuck des Kleides waren viel zu pompös für die bescheidene Mary, und sein Schnitt viel zu figurbetont und eng, wodurch Marys kleine Brüste und jungenhafte Hüften noch kümmerlicher wirkten.
Das Kleid war viel zu lebendig für sie. Margaret konnte fast das leise Flüstern des Schattens hören, der tief in Mary verborgen war. Das lebhafte Blutrot des Kleides würde ihn womöglich noch mehr ans Tageslicht locken.
Margaret erschauerte und ärgerte sich sofort darüber.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Mary und versuchte, über die Schulter zu erkennen, womit Margaret gerade beschäftigt war.
»Nein, nein. Das Mieder ist zugeschnürt. Jetzt lasst mich sehen, ob Euer Haar gut sitzt.«
Margaret schob Mary einen Schemel hin, und als sie saß, zupfte sie an ihrer raffinierten Frisur herum, an der Cecilia, Margaret und zwei andere Frauen den halben Vormittag lang gearbeitet hatten. Sie hatten Marys langes, dichtes honigfarbenes Haar zu zwei Zöpfen geflochten, die sie über ihrer Stirn festgesteckt hatten. Dann hatten sie einen Schleier von derselben sinnlichen Farbe wie das Kleid über Marys Scheitel drapiert und ihn mit edelsteinbesetzten Haarnadeln befestigt. Schließlich hatten sie einen breiten Reif aus miteinander verflochtenen goldenen und silbernen Drähten, in dessen Windungen wunderschöne blassgrüne Chrysolithe eingelassen waren, über die Zöpfe gelegt, damit er den Schleier hielt. Das untere Ende des Schleiers hing auf Marys Rücken hinab.
Kleid und Kopfschmuck waren atemberaubend – oder zumindest wären sie das gewesen, wenn Mary genügend Ausstrahlungskraft und majestätische Haltung besessen hätte, um sie richtig zur Geltung zu bringen.
Katherine hätten sie gut zu Gesicht gestanden…
Margaret verscheuchte den Gedanken.
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