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Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Titel: Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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zu den Briefkastennummern auf der von Bäumen gesäumten ruhigen Straße. Im Autoradio lief der Nachrichtensender. Dies war meine Art, die Dinge anzugehen – fünf Sachen zugleich.
    »Spul das Band zurück«, sagte ich zu dem Produzenten. »Laß mich die Stelle noch mal hören.«
    »Okay«, sagte er. »Es dauert eine Sekunde.«
    Plötzlich war ich auf der Höhe von Morries Haus. Ich stieg auf die Bremse, wobei ich Kaffee auf meinen Schoß verschüttete. Als der Wagen anhielt, erblickte ich einen großen japanischen Ahorn und drei Personen, die in der Nähe des Baumes in der Zufahrt saßen: ein junger Mann und eine Frau
mittleren Alters, die einen kleinen alten Mann in einem Rollstuhl flankierten.
    Morrie.
    Beim Anblick meines alten Professors erstarrte ich.
    »Hallo?« sagte der Produzent in mein Ohr hinein. »Sind Sie noch da?«
    Ich hatte ihn seit sechzehn Jahren nicht gesehen. Sein Haar war dünner, fast weiß, und sein Gesicht war hager. Plötzlich hatte ich das Gefühl, auf dieses Wiedersehen nicht vorbereitet zu sein – außerdem hing ich am Telefon –, und hoffte, daß er meine Ankunft nicht bemerkt hatte, so daß ich noch mal um den Block fahren, mein Gespräch zu Ende führen und mich mental vorbereiten konnte. Aber Morrie, diese neue, verhutzelte Version eines Mannes, den ich einst so gut gekannt hatte, lächelte, die Hände im Schoß gefaltet, in Richtung des Autos und wartete darauf, daß ich herauskam.
    »Hallo?« sagte der Produzent noch einmal. »Sind Sie da?«
    Allein aus Dankbarkeit für all die Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, für all die Freundlichkeit und Geduld, die Morrie mir früher entgegengebracht hatte, hätte ich das Telefon fallen lassen, aus dem Wagen springen, auf ihn zulaufen, ihn umarmen und zur Begrüßung küssen sollen.
    Statt dessen würgte ich den Motor ab und ließ mich vom Sitz gleiten, als suchte ich nach etwas.
    »Ja, ja, ich bin hier«, flüsterte ich und setzte mein Gespräch mit dem Fernsehproduzenten fort, bis wir die Frage geregelt hatten.
    Ich tat, was ich mittlerweile am besten konnte: Ich kümmerte mich um meine Arbeit, selbst als mein sterbender Professor auf dem Rasen in seinem Vorgarten auf mich wartete. Ich bin nicht stolz darauf, aber genau das war es, was ich tat.
     
    Fünf Minuten später umarmte mich Morrie, wobei sein schütter werdendes Haar meine Wange streifte. Ich sagte, ich hätte nach meinen Schlüsseln gesucht, das habe mich so lange im Wagen aufgehalten, und ich drückte ihn noch fester, als könnte ich meine kleine Lüge dadurch zermalmen. Obwohl die Frühlingssonne warm vom Himmel schien, trug er eine Windjacke, und seine Beine waren von einer Wolldecke bedeckt. Er roch schwach sauer, so wie es bei Menschen, die Medikamente nehmen, manchmal der Fall ist. Da er sein Gesicht so nahe an meines drückte, konnte ich sein mühsames Atmen in meinem Ohr hören.
    »Mein alter Freund«, flüsterte er, »endlich bist du zurückgekommen.«
    Er schaukelte an meinem Oberkörper vor und zurück, ließ mich nicht los, mit den Händen nach meinen Ellenbogen greifend, als ich mich über ihn beugte. Ich war überrascht über so viel Zuneigung nach all diesen Jahren. Hinter den Mauern, die ich zwischen meiner Gegenwart und meiner Vergangenheit errichtet hatte, hatte ich vergessen, wie nahe wir einander einmal gewesen waren. Ich erinnerte mich an den Tag der Abschlußfeier, die Aktenmappe, seine Tränen über mein Fortgehen, und ich schluckte, weil ich in der Tiefe
meiner Seele wußte, daß ich nicht länger der gute, vielversprechende Student war, den er in Erinnerung hatte.
    Ich hoffte nur, daß ich ihn während der nächsten paar Stunden täuschen konnte.
    Im Haus setzten wir uns an einen Eßtisch aus Walnußholz, in der Nähe eines Fensters, das den Blick auf das Haus des Nachbarn freigab. Morrie fummelte an seinem Rollstuhl herum, versuchte, es sich bequem zu machen. So wie immer wollte er mich zum Essen einladen, und ich sagte ja, einverstanden. Eine der Helferinnen, eine stämmige Italienerin namens Connie, schnitt Brot und Tomaten auf und brachte Behälter mit Hühnersalat und anderen Leckereien.
    Sie brachte auch ein paar Pillen. Morrie betrachtete sie und seufzte. Seine Augen lagen tiefer in ihren Höhlen, als ich es in Erinnerung hatte, und seine Wangenknochen traten deutlicher hervor. Dies gab ihm ein strengeres, älteres Aussehen  – bis er lächelte und die Hängebacken sich wie Vorhänge hoben.
    »Mitch«, sagte er leise, »du weißt,

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