Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
Pfeil ihre Därme durchqueren.
Die fünf Jungs und zwei Mädchen sind clever. Rashid zieht sein Hemd aus und schlägt damit auf die Katzenpfoten. Das tut weh, aber verfolgt den richtigen Zweck: Druck machen, verwirren, zermürben. Bis das Tier tatsächlich – nach fünfzehn, zwanzig Hieben – aufgibt und loslässt. Und wir beide rückwärts zu Boden stürzen. Das muss komisch aussehen, denke ich noch. Und prompt kommt von der Straße der zweite Lacher.
Die Katze jagt über mich hinweg. Wahrscheinlich hat sie in der letzten halben Stunde den Verstand verloren. Auch ein so schmerzhaft wiedergewonnenes Katzenleben hat seinen Preis.
Als wir nach unten kommen, ist alles vorbei, der Stau hat sich aufgelöst, keiner blickt mehr nach oben. Die Kinder und ich gehen fröhlich auseinander. Dafür trägt eine schreiende Katze die Verantwortung. Außerdem habe ich ab sofort einen neuen Freund. Es ist Balaïda, der misslaunige Portier vom Hotel Afrique , der den Vorfall durch sein Fenster beobachtet hat. »Merci, Monsieur«, sagt er trocken und reicht wie selbstverständlich den Zimmerschlüssel.
TROUBLE IN SEOUL
Kampf ums Ticket, Gedränge, Platzmangel, endlich verlässt der Expresszug die Hafenstadt Pusan und zieht Richtung Seoul. Ich muss umdenken, bin noch verwöhnt vom Langmut und der Höflichkeit der Japaner. Hier ist das Leben strapaziöser, hier herrschen rauere Sitten.
Ankunft in der Hauptstadt. Kein einziges koreanisches Wort kann ich aussprechen. »An nyong haseyo«, heißt Guten Tag . Als ich es den Taxifahrern anbiete, schütteln sie ungläubig den Kopf. Ich will ins Green House , eine Jugendherberge. Unsere wenigen gemeinsamen englischen Vokabeln helfen uns nicht weiter. Bis der richtige Mann auftaucht, lässig nickt und eine Banknote zeigt. So viel soll es kosten. Why not.
Der Alte entpuppt sich als Fehlgriff, er hat keine Ahnung. Eine zweistündige Odyssee durch den Stoßverkehr beginnt. Dazwischen rechts ranfahren und Passanten anhalten. Doch das Wort »Youth hostel« will keiner kennen. Wer danach gefragt wird, kann es nicht fassen und hetzt weiter. Als wir endlich ankommen, ist alle Mühsal vergessen. Das Green House liegt im Grünen, dient als Trainingscamp für Taekwondo-Kämpfer. Doch während der Ferien steht es Reisenden zur Verfügung. Wie jetzt.
Duschen, hinaus zum Abendessen. Überall schiefe, verräucherte Kneipen, laut und voller Männer. In jedem Tisch ist in der Mitte ein Glutstock eingelassen, über dem die Gäste das Schweinefleisch grillen. Dazu gibt es Kohl, Rüben und kleine Gurken. Ist das Fleisch durchgebraten, wickelt man es in Sesamblätter und tunkt die kleinen Portionen in Schalen mit verschiedenen Saucen. Jeder trinkt dazu Soju, einen Branntwein, der sanftmütig blau macht.
Selig wanke ich hinaus. Es vergehen keine zehn Minuten und ein Mann spricht mich an. Koreaner, Anfang vierzig, elegant gekleidet. Ich zögere, er ahnt, dass ich ihn als Männerfreund missverstehe. Er klärt die Sache, indem er ohne Umwege fragt, ob ich »a need for a girl« hätte. Wie gewählt er sich ausdrückt, denke ich noch. Und sage Ja. Kim nickt dezent. Er kenne den Weg, ich könne mich auf ihn verlassen. Verstohlen fingere ich nach meinen eingenähten Geldreserven. Noch immer an ihrem Platz. Ich entspanne.
Der Weg ist kurz. Links und rechts der Straße sitzen Bäuerinnen, die Obst und Gemüse verkaufen. Dazwischen ein paar Gasleuchten, sie spenden trübes Licht. Nach einer knappen Viertelstunde kommen wir an. Shangri-La , strahlt es über der Eingangstür. Das sind zwei Worte, die zum Phantasieren einladen. Irgendwo in Tibet soll dieser glückselige Ort liegen, erträumt und nie bewiesen, wahr und nicht wahr. Im Augenblick ist er wahr. Puffrosa beleuchtet liegt er in einer Seitengasse von Seoul.
Die Treppe hinunter. Unten ist es bereits dunkelrosa, viel Plüsch, in den Ecken stehen raffiniert arrangierte Sitzgelegenheiten, von außen nicht einsehbar. Wohliger Kitsch. Das Personal schwirrt mit winzigen Taschenlampen durch den Raum, um die Gäste wiederzufinden. Ein Musiker klimpert Keith-Jarrett-Arrangements.
Wir beziehen eines der fünf Séparées, das Golden Island . Mit Kerzenschimmer und samtbezogener Clubgarnitur, blitzsauber, die Spuren intensiver Vergangenheit lassen sich nicht einmal erahnen. Kim bestellt zwei Bier und den »Katalog«, ein Fotoalbum mit Portraits und (dezent bedeckten) Ganzkörperansichten. Zur Auswahl. Kim entscheidet sich für »Rose« und rät mir zu number five , zu
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