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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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»Tul-pi«. Ich bin ein ahnungsloser Tropf und sage wieder Ja.
    Wie erfreulich, als zwei charmante junge Frauen erscheinen. Kein Nuttengeruch, keine grellen Gesichter, keine routinierte Anmache. Mühelos gelingt uns vier ein beschwingtes Geplapper. Bald die ersten zärtlichen Flüstertöne, bald das Einatmen von milchweißer Haut, bald die ersten wangenzarten Berührungen.
    Kim hat es eilig und zieht sich mit seinem Mädchen zurück. Ins Nebenabteil, an dessen Tür jetzt eine blau schimmernde Lampe signalisiert, dass das dahinter liegende Bett ab sofort belegt ist.
    Tul-pi und ich bleiben. Die Frau ist gekauft und wir tun, als wären wir heftig ineinander verliebt. Die Nähe, die Küsse, die Sanftheit, alles gelingt. Wie von den Göttern choreographiert, rücken wir näher. Zuletzt ein letzter leichter Ruck und Tul-pi sitzt auf mir. Shangri-La beginnt.
    Als Kim zurückkommt, schlägt er ein Tanzlokal vor. Die beiden Freundinnen dürfen uns nicht begleiten, sie gehören zum Haus. Ich bin nicht wehmütig. Wie gut die hitzige Wärme tat und wie gut, dass eine nächste Aufregung wartet.
    Kim ruft ein Taxi. Mein Kopf strudelt, jetzt dunkelblau vom Soju und dem schweren Bier. Die Fahrt dauert lange. Kim erwähnt einmal mehr, ich könne mich auf ihn verlassen. Wieder bin ich einverstanden, wieder kümmere ich mich nicht um Zeit und Orientierung. Mein nächster Fehler.
    Wir kommen an, irgendwo am Fuße eines Wolkenkratzers. Wir betreten ein gesichtsloses Five-Star-Hotel, mit dem Lift in den achten Stock, wo sich der Nachtclub befindet. Doch die Bar sieht gut aus, geschmackvoll möbliert, eine Sechs-Mann-Combo spielt, auch hier diskrete Beleuchtung. Wir erhalten einen Fensterplatz, der Koreaner ordert unverzüglich Champagner, plus Austern und Obstplatte. Und für sich ein Mädchen. Ich tanze, rieche noch immer die Haut von Tul-pi an meinen Händen, spüre noch immer die vergangene Freude.
    Um zwei Uhr früh will ich ins Bett. Der Tag war lang und anstrengend. Als ich mich von Kim verabschiede, wird der Mensch abrupt streng und laut. Ich hätte nun Zahltag, für alles, inklusive Getränke, Essen und Leihfrau. Die Geschäfte des Herrn Kim. Spendiert ein paar Won für zwei Bier im Billigpuff Shangri-La , um sich hinterher von mir seine teuren Dollarspesen finanzieren zu lassen. Aus instinktivem Misstrauen hatte ich von dem Schlemmerbuffet nichts angerührt, nur Mineralwasser getrunken.
    Somit gibt es nicht die geringste Veranlassung, die geforderten 385 (dreihundertfünfundachtzig!) US -Dollar auf den Tisch zu legen. Eine delikate Situation. Der Koreaner ist aufgesprungen und hält mich am Arm fest. Verschreckt verzieht sich das Mädchen. Es ist gerade Tanzpause und wir haben etliche Zuschauer. Kims Stimme, jetzt massiv erregt, will wissen, ob ich den Verstand verloren hätte. Im Gegenteil, ich bin schlagartig nüchtern und suche fiebrig nach einem Ausweg. Das viele Geld ist gleich eine Woche reisen. Lieber zechprellen, als eine solche Lust gefährden. Ich schiele zum Aufzug und gehe los. Kim lässt nicht locker und geht mit. Eisern umklammert er mein Handgelenk und züngelt mehrmals: »Have you gone crazy, Mister Andrew?« Fast flehentlich klingt es, als könne er nicht glauben, dass unsere Spritztour ein so ungutes Ende nehmen würde.
    Das Personal verständigt sich mit Blicken, man will kein Aufsehen, ein Ober folgt uns. Ich drücke sofort auf den Up-Knopf. Während wir warten, spricht Kim zornbebend auf den Chefkellner ein. Ich verstehe kein Wort und verstehe alles. Langsam kriecht der Fahrstuhl nach oben: 1 … 2 … 3 … 4 … 5 … 6 … 7 … 8, ich stürze hinein und presse den Daumen auf Ground Floor . Kaum hat sich die Tür geschlossen, hängen die beiden Koreaner wie Klammeraffen an meinem linken und rechten Arm. Der Lift ist so eng, dass wir wie eingefroren verharren. Nur die Stimmbänder der beiden bewegen sich, unisono und schrill kläffen sie zu mir hoch.
    Mein dröhnendes Herz. In der fünften Etage bleiben wir stehen. Jemand will zusteigen und zuckt erschreckt zurück. Weiterfahrt … 4 … 3 …, wieder Stopp. Der Lift rührt sich nicht mehr. Zwischen drittem und zweitem Stock hängen wir fest. »We got stuck«, meckert Kim schadenfroh. Wütend haue ich mit dem rechten Fuß auf Close Door , beim vierten Mal funktioniert das tatsächlich, wir ziehen nach unten. Als sich endlich die Tür öffnet, sind es noch knapp fünfzehn Meter zum Hotelausgang. Ich zerre mich zum Lift hinaus, reiße mich los,

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