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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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vielleicht nach tausend Jahren Zen ankommen, dort war er bereits. Nie wieder habe ich einen Mann souveräner erlebt. Er war Lichtjahre weiter als wir. Weil wir noch sniffen und schlucken mussten, weil wir noch Chemie brauchten, um leicht und mühelos zu werden. Steve sah die Sintflut, grinste, ermahnte grinsend Clark (von der Sinnlosigkeit des Aufrufs längst überzeugt) und holte ein Budweiser aus dem Kühlschrank. Und schaute uns zu. Er hatte uns verziehen, johlend feierten wir weiter, es gab ganz offensichtlich keinen Grund, unsere Orgie röchelnder Lebenslust einzustellen.
    Irgendwann im Morgengrauen verzog sich die Magie. Wir kehrten zur Erde zurück, von der wir gerade eine Milchstraße weit entfernt waren. Wir landeten weich. Eine menschenfreundliche Droge, kein heimtückischer Stoff, der einen Höhenflug mit einem Absturz bestrafte. Manchmal gurgelte noch ein Lacher nach oben, reizte schmerzhaft die innig geschundenen Gesichtsmuskeln, mehr nicht. Das Ende war reiner Friede, behütet von der Gewissheit, eine wunderbare Nacht miteinander verbracht zu haben.
    Unbeschwertes Auseinandergehen. Als wir zu dritt ins Auto stiegen, entdeckten Drake und ich im ersten Zwielicht den schönen, lippenstiftverschmierten Mund von Bonnie. Anmutiges Zeichen von Ausdauer und Hingabe, mit der wir beide sie die letzten Stunden über geküsst hatten. Und sie uns. Drake teilte noch immer alles mit denen, die er liebte. Er war der Heilige von uns, die heilige Dreifaltigkeit, er war der Großmut, der Mut, die Heiterkeit.

SIEBEN NÄCHTE IM CENTRAL PARK
    Sommer in Manhattan. Es war kurz nach ein Uhr nachts und ich starrte hinunter. Unten lag Joe. Wir beide, Joe und ich, lebten damals in New York. Eine Zeitlang teilten wir uns dieselbe Adresse: 860 Fifth Avenue. Eine feine Gegend. Joe schlief auf einer Holzbank. Rechts von ihm die teure Straße, links von ihm der dunkle Park. Ich schlief im Bett meiner reichen Freundin, zwölf Stockwerke höher. Kaum hörte ich den gleichmäßigen Atem von Debra, schlich ich hinaus auf den Balkon. Und immer lag Joe da, vielleicht dreißig Meter entfernt. Der Alte beruhigte mich. Die Zuverlässigkeit, mit der er vor dem Haus Quartier bezog, war ergreifend. Sein Kopf steckte in einer Schachtel mit der Aufschrift: »Fragile / Handle with care!« Eines Nachts holte ich aus dem Kühlschrank ein Budweiser six-pack , läutete nach dem liftman und fuhr hinunter. Sacht weckte ich Joe und fragte ihn aus. Er war der erste, der mir schmutzige Geschichten über den Central Park erzählte.
    Sechs Jahre später kehre ich nach New York zurück. Die feuchte Hitze und die Holzbank sind geblieben, Joe und Debra waren jedoch verschwunden, unbekannt verzogen. Wieder ist es ein Uhr nachts und diesmal liege ich auf der Bank. Eine Viertelstunde lang bin ich sorglos und schlafe ein. Joe war mutiger. Neun Stunden pro Nacht verbrachte er hier unbekümmert und bewusstlos. Dann stieg er über die flache Mauer, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Schnorren, jammern, Abfallkörbe sondieren. Abends war er satt, besoffen und pleite. Selig legte er sich nieder. Sein Mut hatte Gründe. Wer ihn beklaute, musste ihm schon das Leben rauben. Alles andere an ihm war wertlos.
    Ich bin nicht Joe, sehe nicht aus wie jemand, der sich seit neunzehn Jahren vom Müll der anderen ernährt. Ich darf mich also fürchten, auch wenn der aktuelle Polizeibericht das grüne Viereck, immerhin 120 Millionen Quadratmeter, als (relativ) harmlos ausweist, sprich, ein paar Ecken weiter zielgenauer zugestochen und abgeschossen wird. Zudem bin ich ein eher ängstlicher Typ. Schon in der ersten der sieben Nächte, die ich im Park verbringe, werde ich daran erinnert.
    Von der Bank gehe ich zum Loeb Boathouse . Tagsüber funktionierte es noch als sonnenüberflutetes Terrassencafé, wo »Master« Tom Young eine Mind Relaxing Chi Gong Massage verabreichte. Schöne Frauennacken und virile Männerschultern drängelten nach Entspannung. Jetzt drängelt niemand, nichts strahlt, ich bin allein unter einem neumondfinsteren Himmel. Absolute Stille. Nur einmal höre ich das Luftschnappen eines Fisches. In einer von atemloser Frenesie getriebenen Stadt ist das ein erhabener Augenblick. Bis es knackst. Meine Augen schnellen herum und ahnen ihn kommen. Den Schatten. Will einer den perfekten Mord begehen, hier ist der rechte Ort, die rechte Zeit. Ich umklammere meine Trillerpfeife, schwerer bin ich nicht bewaffnet. Aber ich pfeife nicht. Zu absurd erscheint mir plötzlich

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