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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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notwendigen sanitären Anlagen. Auch aß ich in der Kantine, verbotenerweise, ja trank den so innig vermissten Kaffee, überzog mit jedem Bissen, mit jedem Schluck, mit jedem an meinen Körper verschwendeten Liter Wasser das Konto meiner Schuldgefühle.
    Jetzt stellte ich B . ein Ultimatum. Woher ich die Kraft nahm, kann ich nicht sagen. Vielleicht die Hetzreden meiner Schwester, vielleicht mein unbeugsames Reinigungsbedürfnis: Entweder durfte ich ab sofort zu Hause duschen oder mein Auszug wäre endgültig! Zwei Tage später kam die Antwort. B . brauchte die Zeit, um zu tüfteln, um auf Biegen und Brechen eine Lösung zu finden, die beide Fronten befriedigte: seine Raffgier und meinen Anspruch.
    Seine Lösung war verblüffend: Er manipulierte den Gaszähler, brachte ihn zum Stehen, wenn der Verbrauch auf kleinster Flamme lief. Nachts wurde nun ein Zehn-Liter-Topf auf den Herd gestellt und erwärmt. Dreimal die Woche. Ich ließ mich auf dieses Angebot ein und kniete mich montags, mittwochs und freitags in die Badewanne, während B . das (kostenlose) Warmwasser auf mich goss. Für ihn war es ein Hattrick: Ich war zurück, die Dusche umsonst und als spektakulärer Kantersieg entpuppte sich die Entdeckung, zukünftig auch spesenfrei kochen zu können.
    Trotzdem suchte B . nach Rache. Wie absehbar, denn eine Frau stellt kein Ultimatum. Selbst wenn sich eine solche Anmaßung in einen Triumphzug des Mannes verkehrte. Und die Rache war bitter. An den drei Waschtagen und den davorliegenden Nächten bestand rigoroser Liebesentzug. Keine Berührung, kein Sex, kein einziges warmes Wort. Zugegeben, ich litt. War das doch der letzte Bereich, in dem so etwas wie gegenseitiges Verlangen und Sehnsucht bestanden.
    Aber es gab kein Zurück. Ich hielt der Erpressung stand. Ich wuchs, ich entdeckte das simple Menschenrecht, mich täglich brausen zu dürfen. So kroch ich still aus dem Bett und machte auch in den vier übrigen Nächten einen Eimer Wasser warm. Bis B . den borstigen Widerstand entdeckte und Gegenmaßnahmen ergriff. Jetzt war mir mit Liebesentzug nicht mehr beizukommen, jetzt gab es eine Gewaltzulage. Mittels Fäusten, mitten ins Gesicht.
    Ich zog wieder aus. Mit den dreißig Litern pro Woche hätte ich mich – nach Einführung des Faustrechts – abgefunden. Nicht aber mit der Weise, auf die sie verabreicht wurde, die Wasserration. Irgendwann fühlte ich mich wie eine Schlachtsau, die kurz vor dem Fangschuss noch einmal kräftig abgespritzt wurde. Ich registrierte den Verlust meiner Würde und B .s höhnische Befriedigung beim Anblick seiner vor ihm knienden Frau.
    Mein Fortgehen bedrohte ihn. Wieder zerlegte er sein Technokratenhirn, um einen Ausweg zu finden. Keinen menschlichen, natürlich nicht. Es gab nur technische Antworten. So auch diesmal. Die Zubereitung des Wassers blieb dieselbe, illegal und zehnliterweise. Was sich änderte, war die Inbetriebnahme. B . montierte eine Gießkanne in die Dusche. Eine Art Handbrause zur Selbstbedienung. Ich zog an einer Kette und das Wasser begann auf meinen Körper zu sprühen. Ein Narrenspiel: In einer voll ausgerüsteten Dusche hing eine blecherne Kanne, deren Inhalt über acht Stunden erhitzt wurde, um endlich – linkisch und kompliziert – seiner endgültigen Bestimmung zugeführt zu werden. Aber immerhin stand ich jetzt aufrecht. Allein und ohne die hämischen Blicke von B .
    Dennoch, keine Gießkanne der Welt rettet einen auf den Grundfesten der Paranoia etablierten Ehestand. Mit einem Menschen, der Schaum spie, wenn er erfuhr, dass man zwei deutsche Mark für eine Busfahrkarte verschwendet hatte, statt durch den strömenden Regen zu laufen, mit einem solchen Zeitgenossen war nicht zu leben. Diese verfrorenen Winter, diese ungewaschenen Sommer, diese hysterische Entsagung, diese ununterbrochene Abwesenheit von Freunden, unsere Blindflüge durch die Wohnung, mein von Schuldgefühlen zerfressenes Herz, nichts und niemand war fähig, eine solche an den Endstationen der Idiotie angesiedelte Existenz zu reparieren. Auch kein Therapeut, zu dem wir zuletzt gingen und der von einem Lachkrampf in den nächsten schleuderte, so amüsiert schien er von unseren Erzählungen.
    Ich zog ein drittes Mal aus. Um mich anschließend über ein Jahr lang mit ihm zu treffen, täglich. Zeit für bohrende Diskussionen zwischen B ., der nicht aufgeben wollte und sein gepanzertes Herz wie einen Sicherheitsgurt durch die Wirklichkeit trug, und mir, die von ihm schändliche Male gedemütigte

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