Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
Kuh, die noch immer bereit war, sich zu versöhnen. Warum nur, warum? Diese typische Frauendummheit, die noch nach tausend Niederträchtigkeiten an die Wiederauferstehung der Liebe glaubt? Die Feigheit vor dem Alleinsein? Mein unerbittliches Verlangen nach Zärtlichkeit und Behütetwerden? Und wäre es die Wärme und der Schutz eines verhornten Seelenkrüppels? Ich weiß es nicht.
Das Ende, das tatsächliche, das endgültige, passierte dramatisch und mit einem herrlich langgezogenen Lacher. Meinerseits. Mitten in einer unserer zähen Friedensverhandlungen war B . plötzlich aufgesprungen und hatte sich mit winselnder Stimme an meinen Hals geworfen: »Ich kann ohne dich nicht leben, bitte, bitte komm zurück!« Ich blieb gefasst und stellte nur eine Frage: »Darf ich mir ab und zu eine Tasse Kaffee kochen?« Kaum hatte B . das Fragezeichen gehört, überkam ihn ein Heulkrampf und er schluchzte, am ganzen Körper vibrierend: »Nein, nein, das geht nicht, das kann ich nicht zulassen.«
In genau diesem Augenblick war ich von allem erlöst. Jetzt kamen auch mir die Tränen. Diesmal sicherer Beweis eines orgiastischen Gelächters, das umso unaufhaltsamer aus mir herausbrach, je mehr mir bewusst wurde, dass von dieser Minute an mein Leben in eine andere Richtung treiben würde, dorthin, wo es fröhlicher zuging, lässiger, großzügiger. Und dass sein Leben, das Leben von B ., verloren war, zerbrochen an hundert Kubikzentimetern warmen Wassers.
Die Scheidung war nur noch eine Formsache. Ich (sic!) gab alles zu, wenn ich nur wiederbekam, was alles gutmachte: meine Freiheit. Ich rekonvaleszierte. Nur manchmal ertappte ich mich dabei, eine zweite Lampe auszuschalten. Oder hörte den inneren Hader beim Stehen unter einer voll aufgedrehten Dusche. Kaffeetrinken zu allen erdenklichen Tageszeiten und Nachtstunden definierte ich von nun an als den reinsten Ausdruck von Glück.
Meine Freiheit gebe ich nicht mehr zurück. Auch nicht an den Mann, der jetzt mein Freund ist. Er heißt A . und gehört zu den hellblauen Männern, die ich so mag. Ach ja, B . schickt zuweilen Briefe, per Fahrrad. Wie zu erwarten, ist er auf dem Weg in den siebten Kreis der Hölle. Was er darüber zu berichten hat, erkenne ich an den beigelegten Listen, auf denen er detaillierte, ins Fleisch schneidende Vorschläge zum Energiesparen unterbreitet. Das ist dann der Moment, den ich schon früher erwähnte, jener Augenblick, in dem mir für die Hälfte einer Sekunde das Herz versagt. Um sogleich freudezitternd wieder anzuspringen. Weil ich jetzt lache, schreiend und mit animalischer Wonne einen Mann auslache, der um ein Haar mein Leben zerstört hätte.
JEDER FURZ EIN ABENTEUER
Die Sprache ist eine elende Hure. Sie treibt es mit vielen. Hauptsache, der Kunde kennt das Alphabet auswendig. Knapp dreißig lausige Buchstaben verlangt sie, nicht mehr. Dann darf es ihr jeder besorgen, jeder sie schwängern. Dass hinterher eine Missgeburt zum Vorschein kommt, will die Schlampe nicht kümmern.
Zwei Typen von Kundschaft treten an: die professionelle Minderheit, das wären die Macher, die Machthaber, die Entscheider. Sie brauchen nur den Mund zu öffnen, damit wir uns sorgen. Um die Sprache, um uns, um die ganze Welt. Und es drängelt die Mehrheit, die Amateure. Das wären die Protzer, die Großgoscherten, die Maulhelden. Ihnen sei dieser kleine Text gewidmet.
Was sie besitzen, sind die vielen gewaltigen Sprüche und das kleinlaute Leben. Ihr hitziger Beischlaf mit der Sprache tut ihnen gut, wie Matadore steigen sie anschließend von ihr herunter. Ihr schmalbrüstiges Dasein hat auf einmal Format. Souverän – hier nicht unbegabter als die Profis – werfen sie mit den sensationellsten Wörtern um sich: Freundschaft, Mut, Herausforderung, Freiheit, Leidenschaft, Wirklichkeit, Wahrheit, Stolz, Ehre, Hingabe, Sehnsucht. Zu Schleuderpreisen gehen diese Preziosen über den Ladentisch. Männchen sprechen sich aus. Träge Geschöpfe sondern Vokabeln ab, die nicht zählen, nichts wiegen, die immer so bleiben: abwaschbar.
Am rabiatesten richten sie ein Lieblingswort zu, das schöne, das dunkle, das muskulöse Wort Abenteuer . Orgien der Gewöhnlichkeit laufen heute unter diesem Begriff. Kaum organisiert jemand einen Waldspaziergang, lese ich davon in einer großen Tageszeitung unter dem aberwitzigen Titel »Abenteuer Freizeitgestaltung«. Ein Herrenmagazin, nachdrücklich verlangt von »echten Männern«, annonciert auf seiner ersten Seite: »Lust auf Abenteuer«. Ich
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