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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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ist ein anstrengendes Business. Neben Schweiß schwitzt man auch Blut. Dabei darf der Leser den Sätzen nie die Mühsal ansehen. Gewiefte Sprachliebhaber wissen, dass das Leichte das Schwerste ist. Vor mehr als 200 Jahren notierte Fürst Metternich, das Wiener Scheusal, einen respektablen Satz: »Die Kunst ist, oben zu bleiben.« Die giftige Anmerkung gilt für Pornostars, Wolkenkratzer-Fensterputzer und Schreiber. Ein paar Augenblicke lang sind viele von uns famos, aber einen langen Text lang, ein Buch lang, Bücher lang? Deshalb die Folterbank, deshalb die lustvolle Bereitschaft, sich zu quälen. Damit einer schreibt, wie Muhammad Ali tänzelte. Cool, federleicht, immer wissend, dass Eleganz ungemein besticht.
    Ach ja, warum Reporter? Sorry, jetzt bin ich tatsächlich abgedriftet. Warum also Reporter und nicht Saxophonspieler oder Gynäkologe? Ein Blick auf meine Website zeigt, was einer alles nicht können kann und trotzdem eines Tages dort eintrifft, wo er es aushält. Bin eben ein latebloomer , ein Spätblüher, der länger braucht als andere, um seine Begabung und sein Ziel zu entdecken.
    Die erste Antwort, haargenau: Ich wüsste von keinem anderen Gen in mir, für dessen Ausbeutung jemand Geld hinlegen würde, sprich, ich habe keine andere Veranlagung entdeckt. Andere können aussuchen, ich nicht. Bin ja schon überglücklich, dass ich das eine, das einzige, gefunden habe.
    Und die zweite Antwort, auch schlicht und sofort einleuchtend: Mit dem »Beruf Reporter« – ob man das nun Reiseschriftsteller oder Berichterstatter oder einfach nur »writer« nennt – bekomme ich Zugang zu zwei unerschöpflichen Schatztruhen: dem Wunder der deutschen Sprache und dem Weltwunder, der Welt. Als bekennender Flüchtling, immer auf der Flucht vor dem Grind des Alltags, habe ich es nicht schlecht getroffen. Denn ich will nicht in Würde altern, sondern mit Würde wach bleiben. Picasso wusste es längst: »Es dauert verdammt lang, um wieder jung zu werden.«
    Noch eine heitere Fußnote. Ich kann sie mir nicht versagen, zudem gehört sie zum Kapitel. Denn ein Autor, der vorlaut Behauptungen aufstellt, tut gut daran, sie mit Fakten zu untermauern. Zur Sache: Wann immer sich eine Gelegenheit bietet, denunziere ich Paulo Coelho. Mindestens einmal pro Buch. Weil ich ihn für den Inbegriff jener Sorte Schreiber halte, die rastlos zur weltweiten Verdummung beitragen. Und da der Grad von Verblödung – unendlich viele versuchen, uns zu verblöden – täglich zunimmt, will ich meinen bescheidenen Beitrag leisten, indem ich ab und zu dagegen anstinke. Gegen ihn, gegen andere.
    Zuletzt: Die Anekdote ist einfach zu außergewöhnlich, einfach zu beweiskräftig, um sie der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Sie ist der Kronzeuge, sie adelt alle meine bisherigen Warnrufe in puncto PC , des Ex-Werbefuzzis. Vielleicht reagiert mancher nach der Lektüre dieser Zeilen ähnlich wie jene Leserin, die mir einst schrieb: »Ich habe mich wahnsinnig über Ihre abfälligen Bemerkungen über Paulo Coelho geärgert. Aber Wochen später hatte ich die Kraft, nochmals in seine Bücher hineinzulesen. Und siehe da, Ihr Gift hat gewirkt. Plötzlich wurde mir die ganze Seichtheit, der ganze esoterische Humbug bewusst, mit dem Coelho sein Pseudowissen verbreitet.«
    Wie dem auch sei, hier kommt die Unglaublichkeit: Ich hatte eine Lesung in einer Buchhandlung. Volles Haus, Hausherr und Hausherrin und Publikum schienen zufrieden. Hinterher lud mich das Ehepaar zum Essen ein. Und jetzt erzählte der Mann, animiert durch eine von mir vorgelesene Paulo-Coelho-Lächerlichkeit, einen bedenkenswerten Vorfall. Damit die Anekdote auch von Branchenfremden verstanden wird, hier ein paar Zusatzinformationen: Zwei Mal pro Jahr, Frühjahr und Herbst, schicken Verlage ihre Vertreter landesweit in alle Buchhandlungen. Damit sie die Neuerscheinungen anpreisen und somit den Buchhändler zur Bestellung ermuntern. Denn ein im Laden sichtbares Buch geht vielmals besser als ein unsichtbares.
    An einem Tag war der Vertreter von Diogenes angekündigt. Ein hoch angesehener (Züricher) Verlag, der die Lizenz für die deutschsprachige Ausgabe von Coelhos Büchern besitzt. Wie die meisten Verlagshäuser ist auch er zur sogenannten Mischkalkulation verpflichtet: Man druckt berühmten Schrott, um die guten Autoren, die weniger zahlreich verkauft werden, zu finanzieren. Und der gemütliche Herr, fernab aller bissigen Polemik, zog »Brida«, den neuesten Coelho-Erguss, aus der Tasche,

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