Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
Bedingung, dass ich hinterher reicher, sprich, geistreicher davongehe.
In diesem Essay werde ich Nachrichten an Redakteure vorstellen. Schriftlich abgefeuert von mir auf sie, nachdem ich mitansehen musste, wie Sprachbehinderte sich an meiner Arbeit vergangen hatten. Notwehrschreie an jene, die nicht schreiben können, dafür aber gern die Axt schwingen, um sprachliche Eleganz totzuschlagen. Mein Pamphlet soll sie denunzieren. Damit sie ihren Beruf aufgeben und sich einen neuen suchen. Taxifahrer werden gebraucht, Orangenpflücker in Spanien, immer wieder Türöffner in Edelboutiquen. Von mir aus dürfen sie auch auf Bundeskanzler oder Papst umsatteln. Nur Redakteur dürfen sie nicht mehr sein, nur nie wieder einer werden, der Hand anlegt an fremden Texten. Ich war zu lange Opfer ihrer rastlosen Unbegabung, jetzt ist es Zeit für einen Rachefeldzug.
Klar, über Sprache werde ich auch reden. Über die fulminante deutsche. Nicht reden werde ich freilich über die zehn Regeln zum »Schöner Schreiben«. Wer bin ich, um mir derlei Unternehmungen zuzutrauen? Ich habe kein Germanistikstudium hinter mir, war nie auf einer Journalistenschule, weiß heute noch nicht, wie man eine Zeitung macht. Aber ich erinnere mich an einen Abend hinter der Bühne des Residenztheaters, wo Klausjürgen Wussow – noch fern vom Ruhm der Schwarzwaldklinik – und ich (direkt von der Schauspielschule) auf unseren Auftritt warteten. Und ich den Meister verschämt fragte: »Sagen Sie, wie spielt man tolles Theater?« Und Wussow, kurz angebunden: »Sie können alles spielen, nur stimmen muss es.«
Eine solche Antwort gilt auch fürs Schreiben. Keine festen Regeln, alles ist erlaubt, aber Vehemenz muss es haben, Rhythmus, den Swing. Muss im Leser das innige Gefühl verbreiten, dass man den Raum nicht verlassen will, ohne die vorliegenden Zeilen gelesen zu haben.
Ich denke an ein Interview mit Edward Albee, dem amerikanischen Dramatiker (»Wer hat Angst vor Virginia Woolf?«), der sich wünschte, dass die Zuschauer seiner Stücke nach Verlassen des Theaters von den vorbeikommenden Autos überfahren würden. Soll sagen, er träumte von einem Publikum, das am Ende der Vorstellung nicht sofort wieder ins gewohnte Blabla regrediert, sondern so mitgenommen ist, dass es tief versunken in die nächste Stoßstange rennt. Schöner Traum.
Diese Streitschrift soll noch einen anderen Zweck erfüllen: jenen – nicht nur den Redakteuren – das Schreiben auszureden, die es nicht lieben. Die glauben, sie kämen linkshändig davon. Für sie, die Grobschlächtigen, die Faulpelzigen und Talentlosen, sollte man amnesty international paper gründen. Wird doch – nach der Menschenhaut – nichts so sehr geschunden wie ein weißes Blatt Papier. aip würde im Bedarfsfall umgehend einschreiten und den Satzschiebern und Wortbrechern das Handwerk legen. Gustave Flaubert meinte einmal: »Die Sprache ist das erste Genie eines Volkes.« Das ist ein vorlauter Satz, wenn man bedenkt, wie das Volk mit seinem ersten Genie umgeht.
Postskriptum: Ich vermute, dass andere Schreiber die nächsten Absätze mit Genugtuung lesen werden. Aus Berichten von Kollegen (mit zorngelben Gesichtern) weiß ich, dass ich nur ein Opfer von vielen bin, deren Sprache via »editorial hatchet work« niedergemacht wurde.
Wut
Nun die Auszüge. Sie stammen aus der Zeit, in der ich vor allem als Reporter für Zeitschriften und Magazine arbeitete. Klug wäre, wenn der Leser umgehend vergäße, dass ich der Autor der folgenden Zeilen bin. Denn meine Sarkasmen könnten von jedem sein, der schreibt und gleich darauf erdulden muss, wie seine Sprache durch die Lauge brausender Mittelmäßigkeit geschleift wird. Damit die Wörter nicht wehtun, nicht überraschen, nicht wüten, keinen Abonnenten verscheuchen, ja, sich geräuschlos dem ersten Gebot eines wohlfeilen Kapitalismus andienen: dem der Verkäuflichkeit, dem der merkantilen Kriecherei.
In meinen Antworten wird auch klar, wie ich mir passables Schreiben vorstelle. Es geht also hier nicht um A . A ., den Briefbomben-Verfasser, sondern um Briefe, die als Vehikel dienen, um Vorschläge zu transportieren.
Aus Barmherzigkeit, auch mir gegenüber, werde ich keine Namen nennen, nicht die der Redakteure, nicht die der Zeitschriften, nicht die Titel der massakrierten Artikel. Deshalb die vielen » XY «. Was sichtbar werden soll, ist die Hartnäckigkeit, mit der die deutsche Sprache geschurigelt wird. Hier nun einige Passagen aus einem langen Brief,
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