Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
in dem ich den Redakteur XY beknie, mein von ihm kleingehacktes Skript wieder in die Nähe des Originals zu rücken.
Der erste Totengräber, erster Auszug:
»Lieber XY , hier brach das Donald-Trump-Syndrom aus. Kennen Sie den? Diesen Maulhelden aus New York, der keinen Satz schafft, ohne dabei einen Superlativ zu veröffentlichen. Wir sollten ein bisschen abgeilen. Nicht sofort das Wort ›Sensation‹ verbraten, wenn zwei Dutzend Nackte auftauchen. Cooler schreiben, lässiger, nicht immer so rotfleckig und tumultarisch.«
Der erste Totengräber, zweiter Auszug:
»Lieber XY , ich merke jetzt, wie sich mein Geduldsfaden verkürzt. Habe ich doch das Gefühl, einem auf die Spur zu kommen, der mit rabiater Konsequenz sein bescheidenes Vokabular bei mir unterzubringen versucht. Denn das Wort »müßig« muss rein. Ich frage mich, ob es müßig ist, über diesen Furz zu reden. Leider ja, denn er steht unter meinem Namen, sprich, ich werde zur Rechenschaft gezogen. Hier kommt das richtige Wort, der richtige Satz, statt: ›Wie müßig wäre doch das Unternehmen, Schönheit zu beschreiben‹ muss es heißen: ›Wie übermütig wäre doch das Unternehmen, Schönheit zu beschreiben‹.«
Der erste Totengräber, dritter Auszug:
»Lieber XY , was rede ich, hier kommt es, das ›samt und sonders‹ bekamen Sie nicht unter, aber ein ›ganz und gar‹ möcht schon sein. Ich spüre eine Harnleitervereiterung auf mich zukommen, ganz und gar skandalös. Wir werfen Ihren Mist ›Hier beginnt der ganz und gar amerikanische Skandal‹ auf den Misthaufen und schreiben einfach: ›Hier beginnt der amerikanische Skandal‹.«
Der erste Totengräber, vierter Auszug:
»Lieber XY , sehe ich ihr ›zwecks have fun‹ (sic! sic! sic!) in meiner Reportage auftauchen, dann jagt mich die Angst einer genetischen Mutation. ›Zwecks have fun‹, das ist grandios blöd. Kein Wort davon soll an die Öffentlichkeit. Dafür würde man Sie schlachten. Viele, lieber Redakteur, schreiben, wie sie vögeln: immer in der Missionarsstellung. Einer lässt die Hose herunter und die arme Frau, sprich der arme Leser, weiß sofort, wo der fade GV , sprich der fade Text, entlangstottert. Phantasielos und hastig stochern Sie, lieber Redakteur, in meiner Geliebten, der ungeheuren, der ungeheuer schönen deutschen Sprache.«
Der nächste Fleischer, ein Auszug:
»Lieber XY , Ihr himmelblöder Satz ›Die Geschichte hätte Sie geschmückt, wie sie es jetzt uns tut‹ hat mich mit Einsicht und Milde versorgt. You’ve got it or you ain’t , sagen sie woanders. Und Sie haben es nicht. Wem ein solcher Wortverhau – wie sie es jetzt uns tut – gelingt, ohne dass ihm ein Riss das Hirn spaltet, beweist einmal mehr, dass ihm die Gabe des Schwungvollen und Harmonischen nicht gegeben ist. Dass sich gerade solche Mitmenschen wie Sie in die deutsche Sprache verlieben, das ist eines der vielen Geheimnisse, die mir entgehen. Klar, so viel irrgelaufene Hingabe zur Kunst, das ergreift, appelliert nachdrücklich an meine abendländischen Werte: eben auch jene zu respektieren, die sich so schweißgebadet und linkisch ihre stachligen Nebensätze abdrücken. Lassen wir das grausame Spiel, lieber XY , ich bin zu schwach oder zu neugierig oder zu ungeduldig, um immer wieder von vorn anzufangen. Die Stunden, die ich mir ab jetzt spare, wenn ich darauf verzichte, einem Unbedarften wie Ihnen das Wunder der deutschen Sprache einzubläuen, diese Stunden will ich in Zukunft dafür hernehmen, um – noch intensiver – den (vielen) zuzuhören, die begabter sind als ich.«
Der dritte Henker, ein Auszug:
»Lieber XY , danke für die Zusendung der redigierten Fassung. Wieder finde ich Ihre scharf riechenden Markierungen. Warum schlachtet man die Kinder von Kabul und warum nicht Sie, den Redakteur, den Sprachschlächter? Nur ein Beispiel. Ich schrieb: ›Bis der Krieg um die Hauptstadt Afghanistans losbrach und Turgut und seine Familie eine volle Breitseite aus den Betten jagte.‹ Und Sie, der Überleber aller an der deutschen Sprache verübten Verbrechen, fingerten daraus: ›Bis Turgut und seine Familie eine Rakete traf.‹ Das ist, als hätte man die fünfzig besten deutschen Schreiber in einen Raum gepeitscht und ihnen bei Todesstrafe verboten, nicht eher den Raum verlassen zu dürfen, bevor sie nicht die fahlste, die totgefickteste Wendung gefunden haben. Und sie fanden sie: ›Bis eine Rakete sie traf!‹ – Elvis ist tot, Hendrix ist tot, und Sie leben. Warum?«
Der
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