Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
vierte Meuchler, erster Auszug:
Vorgeschichte: Wieder musste ich erleben, wie ein Redakteur, der Textchef geworden war, weil er die Anmeldefrist für die Bäckerlehre versäumt hatte, ein Manuskript von mir erledigt hatte. Ich schrieb dem Kanalarbeiter und wies ihn darauf hin, dass ich diese ›Verharmloserbrunze‹ nicht dulden würde. Etwas Sonderbares geschah. Der Kanalarbeiter lief heulend zu seinem Chef, der daraufhin – schriftlich – auf mich anlegte. Bekanntlich geht es in der Medienwelt ähnlich widersinnig zu wie bei Ärzten oder Ingenieuren: Untereinander wird ordentlich gehackt, kommt jedoch ein Angriff von außen, wird stramm gemauert. Beschwert sich ein Patient nach einer Operation über Bauchschmerzen, dann ist die Schuld beim weinerlichen Operierten zu suchen und nicht beim Onkel Doktor, der die Schere irgendwo in der Nähe des Zwerchfells vergaß. Ähnlich hier. Der Chefredakteur schmückte sich sogleich in der Pose des Beschützers, auch wenn alle Welt wusste, dass drei oder vier ausgewiesene Flaschen bei ihm untergekommen waren. Auf die Empörung des Chefs, der mich in seinem Brief wissen ließ, dass es sich bei dem Kanalarbeiter um eine Fachkraft ersten Ranges handelt, antwortete ich folgendermaßen:
»Lieber XY , mit deinem Brief habe ich gerechnet. Dass du deine schwarze Galle gleich so giftgrün und aufrecht entrüstet aufs Papier schleuderst, überrascht. Redakteur XY bittet um Schützenhilfe – wohl getan – und die Chefredaktion knüppelt. Nicht ganz fehlerfrei. Auch stilistisch etwas matt. Aber das soll nicht zählen. Jetzt wird abgerechnet, da kommt so manches abhanden. Fakten, frühere Lobeshymnen, unsere gemeinsame (?) Geliebte, die deutsche Sprache. Erheitert jedoch haben mich deine drei Pünktchen am Ende mancher Sätze. Sie erinnern mich an katholische Mädchenpensionatsaufsätze. Die haben auch Pünktchen. Denn dahinter lauert das Unsägliche, das Unsagbare. Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen.
Das Niveau der Fahnen werde ich nicht mehr diskutieren. Es verbietet sich im Namen unserer Geliebten. XY pimperte in ihr herum, als wollte er die Schöne zur Volksausgabe zusammennageln. Ich musste ihn bremsen. Damit sie am Leben bleibt. Und ich.
Ihr ›moderiert‹, ihr mäßigt meine Sprache, ihr stampft sie ein, ihr zerschneidet ihr das Maul, ihr druckt sie besonnen. Nichts soll mehr lästern, nichts brüskieren, nichts fremd sein. Ich weiß, XY , wie du mir dazwischenreden willst, wie du noch immer an deinen auswendig geleierten Journalistensprüchen hängst und mich mit ›Handwerk und Präzision‹ zur Ordnung zu rufen versuchst. Wie ich dir deine Handwerkerei schenke. Mensch, XY , mich hungert nach etwas ganz anderem, nach hintereinander aufgestellten Worten, die mich betäuben, die mir ein Geheimnis vom Leben erzählen, die mich, den Leser, verstört oder verzaubert zurücklassen.«
Der vierte Meuchler, zweiter Auszug:
Zum besseren Verständnis der folgenden Zeilen ein schneller Hinweis: Wer sich gegen die Bimboisierung der deutschen Sprache wehrt, muss für die Konsequenzen geradestehen. Damit die Geldbesitzer zur Kenntnis nehmen, dass nicht jeder mit Geld zu besitzen ist. Auf die Androhung des Chefredakteurs, weiterhin den fraglichen Text von mir zu bearbeiten, faxte ich folgende Klarstellung:
»Lieber XY , lass es mich glasklar hinschreiben: Weitere Zugriffe auf das Skript – von notwendigen Kürzungen abgesehen – werden nicht stattfinden. Nicht von anderer Seite, nicht von meiner. Viele deiner Vorschläge habe ich berücksichtigt, manche nicht. Weil sie nicht richtig, nicht kompetent, nicht sinnlich sind. Wollt ihr weiter zugreifen, bin ich – wie selbstverständlich – bereit, die an mich überwiesenen Gelder (einschließlich Spesen) wieder herauszurücken. Ausfallhonorare nehme ich grundsätzlich nicht. Wer zahlt, schafft an. Will sich einer nichts (mehr) anschaffen lassen, zahlt er zurück. Das sind die Spielregeln und ich spiele sie.«
Die fünfte Null, diesmal kein Redakteur:
Ein letzter Brief, ausnahmsweise an einen Übersetzer. Er arbeitete für ein schickes Käseblatt, ein In-flight -Magazin, in dem alle Artikel und Reportagen auf Deutsch und Englisch veröffentlicht werden. Dieser Vorfall zeigt, dass die Sprachschänder überall lauern, auch da noch, wo sie nichts anderes sollen, als von einer Sprache in die andere zu übertragen. Hier mein Kommentar an den Kleinkriminellen, der zufällig als Übersetzer tätig war:
»Lieber XY , den Ursprung der
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