Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
Menschen unter uns nach der Lektüre nicht umhin können, den Autor einmal mehr als »haltlosen Egomanen« abzuservieren, sei ihnen unbenommen. Die weniger aufrechten, dafür genaueren Leser, werden ohne Empörungsgepluster den Text wahrnehmen und zu einem anderen Urteil kommen. Hier wird eine delikate Geschichte erzählt, in die sich beide Protagonisten plötzlich verstrickt sahen. Ohne bösen Willen. So vermute ich einmal. Sie »passierte«. Und ich habe darauf reagiert. Um – ich wäge die Worte genau – mein Leben zu retten. Mit durchaus dubiosen Tricks. Zu meiner Verteidigung will ich Jean-Paul Sartre zitieren: »Das Letzte«, so notierte er, »was Literatur braucht, sind gute Gefühle.« Sie soll die Wirklichkeit aufschreiben. Hier steht sie.
Nie betrat sie meine Wohnung vollständig bekleidet. Von Teilen ihrer Garderobe hatte sie sich bereits im Hausflur befreit. Als sie durch die Tür trat, war eine Hälfte ihres Körpers bereits nackt. Sie schloss lächelnd ab und legte die andere Hälfte frei.
Wir unterhielten das, was die Franzosen »une histoire de cul« nennen, eine – vornehm übersetzt – Bettgeschichte. Lauras Auftritt war Teil unserer Abmachung: keine linkischen Reden, keine Lügen und Notlügen, keine umwerfenden Gefühle. Nur Sinneslust, nur das gegenseitige Ehrenwort, sie so oft und so umwegfrei wie möglich zu bedienen. Brach im Kopf eine Sehnsucht aus und war diese Sehnsucht heftig genug, um die zuständigen Hormone zu alarmieren, kam jedem von uns nur ein Gedanke: den anderen per Anruf von seinem Alarmzustand zu informieren, ihn also aufzufordern, alle nötigen Ingredienzen – den Körper, ein Zimmer, eine Stunde Freizeit – zügig und nicht minder alarmiert zur Verfügung zu stellen.
Ein Bett war nicht unbedingt notwendig. Laura verfügte über das stupende Talent, jedes andere Möbelstück den Formen und Bewegungen der Liebe anzupassen. Neugierig und biegsam entdeckte sie in allen Dingen nie vorgesehene Nutzungsmöglichkeiten. Selbst ein so fades Möbel wie ein Herrendiener wurde mit Hilfe ihrer Phantasie einem viel sinnlicheren Verwendungszweck zugeführt als dem Ablegen von Hosen mit Bügelfalten.
Eine wunderbar keusche Beziehung gelang uns. Keusch, da unbefleckt von der Erbsünde der Heuchelei. Unsere Leiber erklärten wir für hirntot, keine Grabenkämpfe zwischen oben (Kopf) und unten (Genitalien) fanden statt, kein Verlangen nach Ewigkeit belastete. In unseren besten Momenten waren wir vollkommen amoralisch, vollkommen unbeschwert von der Schwere eines zweitausend Jahre alten Abendlands. Keine Zivilisation redete uns dazwischen. Nur dem Drängen unserer Körper hatten wir Treue geschworen.
Laura gehörte zu der seltenen Rasse von Frauen, die nie hinhörte, wenn andere ihr einredeten, dass es die schnelle weibliche Lust nicht gäbe. Ihre Lust überkam sie schnell und sagenhaft weiblich. Sie haderte nicht mit irgendeiner inneren Stimme. Sie nahm die Bedürfnisse ihres Körpers nicht nachlässiger zur Kenntnis als andere Bedürfnisse, die sogenannten geistigen. Sie gehörte zu den drei, vier unbezahlbaren Wesen, denen ein Mann im Laufe seines Lebens begegnet. Wenn er innig nach ihnen sucht. Und Glück hat.
Zwei Jahre lang glaubte ich, Glück zu haben.
Bis an einem heißen Junimorgen das Telefon läutete. Ich war gerade von einer mehrwöchigen Reise zurückgekommen. Es war Laura. Sie wäre schwanger. An dieser Meldung war nichts Furchterregendes, sie war unerfreulich, aber nicht bedrohlich. Als sie ausgeredet hatte, ging ich zu meinem Computer und suchte die einschlägigen Adressen. In fünf Ländern wusste ich von gut geführten Häusern, die sich diskret um derlei Eingriffe kümmerten. Ich kannte diese Privatkliniken nicht als »Betroffener«, nur als Reporter. Jetzt war ich betroffen.
So war es von Anfang an ausgemacht zwischen uns beiden, zwischen Laura und mir, ja, unumstößlich beteuert: Ein Kind war das Letzte, was wir mit unseren Körpern produzieren wollten. Nackte Wollust hatten wir uns versprochen. Sonst gar nichts. Vor Ausbruch allererster Nähe war das festgelegt worden. Mit eindeutigen Worten. Ich betrachtete mich – in diesem Punkt – immer als verantwortungsvollen Mitbürger. Männer, die gern und verantwortungslos besamen, hielt ich für kaltblütige Trottel.
Ich kam zurück zum Telefon und bat Laura zu notieren. Stille. In diesem Augenblick begann der grausame Teil unserer Bekanntschaft: Laura verweigerte die Annahme der Anschriften, sagte die
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