Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
nächtlichen Zärtlichkeiten. So verzichtete er fortan auf klimatisierte Hotelbetten und schwor Enthaltsamkeit.
Das war. Es schien, als wäre nun der Tag gekommen, der Keuschheit abzuschwören. Vielleicht nur, weil ich so blond und schwedisch aussah. Meine Person als Ersatz für einen entschwundenen Geliebten. Jetzt gleich. Wäre es nach Fernando gegangen, er hätte mich umstandslos auf einem Berg ausgebleichter Knochen geliebt. Während er mich zu küssen versuchte, war ich hochgradig amüsiert und keinesfalls erregt. Nur von der Idee beflügelt, dass ein Mestize mein erster Mann sein könnte.
Wir kehrten zurück zur Erdoberfläche. Ich verging vor Lust bei der Vorstellung, dass ich umworben und bebalzt wurde, dass ich launisch und arrogant festlegen konnte, wie mit mir zu verfahren sei. Zu oft hatte ich Frauen in einem solchen Zustand beobachtet und sie um ihre Macht über mich beneidet. Jetzt war ich Frau und jetzt besaß ich diese Macht.
Wir gingen die paar Schritte hinüber zur Casa de la Inquisición . In der Öffentlichkeit blieb Fernando auf Distanz, Homopärchen waren verpönt. Zwischen angerosteten Daumenschrauben, Stahlruten und längst verglühten Brennstäben begannen Führung und Verführung von Neuem. Welch Gegensätze. Vor mir die kniehohen Erdlöcher, in denen Männer ein halbes Leben dahingesiecht waren, und auf meiner rechten Wange die warmen Lippen von Fernando, die Liebesworte und verwegene Details flüsterten. Der Tod und diese Liebelei, so nah, so frivol nebeneinander.
Schweren Herzens verließ ich den Ort. Im Angesicht von so viel Mord und Totschlag empfand ich unser beider Absicht als eher komisch, ja aufdringlich. Der Rausch war begraben. Vorläufig zumindest.
Fernando und ich tranken noch eine Tasse Tee, dann wollte ich allein sein. Meinen designierten Liebhaber ließ ich im Ungewissen. Den Beischlaf müsse ich noch einmal überschlafen. Ich würde morgen Bescheid geben. So oder so.
Vierundzwanzig Stunden später hatte sich mein Verlangen nach Fernando erholt. Um acht Uhr abends trafen wir uns im vereinbarten Restaurant. Der Peruaner leuchtete vor Freude und ich wollte nun unbedingt wissen, wie mein Körper mit einem Männerkörper umzugehen gedachte. Wir rauchten, warteten auf die Dunkelheit, dann brachen wir auf.
Das Hotel Damasco lag nur drei Ecken entfernt, direkt neben der Plaza de Armas . Der Mann an der Rezeption wusste sogleich Bescheid. Ein Doppelzimmer für Männer ohne Gepäck? Das war eindeutig. Wir bekamen Nummer 26, eine stickige Besenkammer, fensterlos. Die Rache eines heterosexuellen Portiers. Wir gingen zurück und drohten mit Auszug. Diesmal erhielten wir den Schlüssel für das Zimmer gegenüber. Schon besser, eineinhalb Quadratmeter größer und mit einer Luke zum Öffnen.
Wir saßen am Bettrand und fingen an. Mit Reden. Als Beruhigungsmittel. Ich sah, wie feiner Schweiß über meine Handflächen kroch. Um uns zu beschäftigen, zogen wir uns aus. Zuletzt in Unterhosen, heimlich wie Kinder. Als Fernando anfing, mich mit Händen und Lippen anzufassen, ja mir mein letztes Kleidungsstück abzustreifen, war alle Unklarheit verschwunden: Ich wusste augenblicklich, dass sich Begehren und Erotik nicht ausbreiten würden in mir. Umgehend erfuhren alle meine Sinne, dass ein nackter männlicher Körper nur Hilflosigkeit und Desinteresse in mir auslöste. Frauen waren geschwungen und unergründlich, hatten rätselhafte Höhen und Tiefen, verbargen ein Geheimnis nach dem anderen. An Fernandos Leib entdeckte ich nicht ein einziges Wunder, er war glatt und geheimnislos wie mein eigener.
Das änderte nichts an meinem Plan. Drei Viertel meines Gehirns bestehen aus Neugier. Und wäre das Neue auch voller Tücken und gemeiner Überraschungen. Ich wollte diese mir so fremde Vertrautheit, und wäre es über mein Blut und meine Tränen.
Von all dem, von all den tosenden Überlegungen hinter meiner Stirn, hatte Fernando keinen Schimmer. Er begehrte eben Männer, mich eingeschlossen. Kronzeuge seines eindeutigen Anliegens war sein Geschlecht, das sich nun in Windeseile neben meinem schüchternen Körper aufbäumte.
Fernando musste lernen. Hätte er allein zu entscheiden gehabt, er wäre mit Furioso in mich hineingefahren. Jetzt, im Moment praller Erregung, war er eben ganz Mann, ganz Macho. Er musste einsehen, dass ich Zeit benötigte, dass sich bei zu heftigem Drängen meine Eingänge versperrten, noch mehr versperrten. Vor Schreck, so fulminant betreten zu werden.
Ich spürte,
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