Diese alte Sehnsucht Roman
Augen-Hand-Koordination erforderte, geschickter, auch wenn er diese Siege großzügig genetisch erklärte. »Mein Vater ist ein guter Sportler« – er zuckte die Schultern, als wäre das nichts Besonderes –, »und darum bin ich das auch.« Dieser Hinweis auf die Gesetze der Vererbung enthielt natürlich auch eine versteckte Beleidigung, und Griffin war ziemlich sicher, dass Peter und Mr. Browning seinen Vater, dessen Kampf mit dem Klappsessel sie täglich verfolgen konnten, für tolpatschig hielten. »Dein Vater liest ja eine Menge«, bemerkte Peters Vater eines Tages, vielleicht um ein Kompliment zu machen, das wenigstens teilweise auf Tatsachen gegründet war, und Griffin nickte und glühte abermals vor Scham.
Am Ende der zwei Wochen hatte sich zwischen ihm und Peter eine noch nie erlebte Vertrautheit entwickelt, und er fragte sich, ob dies vielleicht Liebe war. Es war kein sexuelles Gefühl, aber es schnürte ihm das Herz mit einer seltsamen, ziellosen Dringlichkeit ein, die er nicht verstand. Wenn er nicht mit Peter zusammen war, musste er von ihm erzählen. Kaum verwunderlich, dass seine Eltern das bald leid waren, besonders als Griffin begann, sie zu bearbeiten, sie sollten eines dieser Häuser für den nächsten Sommer mieten, damit Peter und er wieder gemeinsam die Ferien verbringen konnten. Er hatte sich bereits erkundigt und wusste, dass die Brownings im Juli auf dem Cape sein würden. Bitte, bitte , bettelte er – konnten sie denn nicht jetzt schon eines der Häuser reservieren? Und wenn es für einen ganzen Monat zu teuer war, dann vielleicht wenigstens für die ersten beiden Juliwochen, damit sie alle gleichzeitig ankommen würden? Denn sonst hätte Peter, wenn Griffin dann endlich käme, vielleicht schon einen anderen Freund gefunden.
Er wusste, dass seine Gefühle für Peter nicht sexueller Natur waren, weil seine Gefühle für Peters Mutter eben genau dies waren. Wenn Mrs. Browning einen Bikini trug, musste er sich auf den Bauch in den warmen Sand legen, um seine Erektion zu verbergen. Peter sagte er natürlich nichts davon, er wagte nicht einmal eine harmlose Bemerkung wie: »Deine Mutter sieht wirklich gut aus«, aber irgendwie schien sein Freund es trotzdem zu wissen. War es möglich, dass Peter für seine eigene Mutter ähnliche Gefühle hegte wie Griffin? Gab es so was? Auch Mr. Browning bemerkte Griffins Bewunderung, doch anstatt ärgerlich oder gar wütend zu werden, lächelte er bloß, als wisse er nur allzu gut um den Zauber seiner Frau und könne dem Jungen nicht vorwerfen, ihm erlegen zu sein. Seine Freundlichkeit beschämte Griffin derart, dass er sich ein, zwei Tage lang alle Mühe gab, alle schmutzigen Gedanken (wie er sie nannte) aus seinem Kopf zu verbannen, aber es war sinnlos. Eines Nachmittags lag sie auf dem Bauch im Sand und öffnete das Oberteil ihres Bikinis, damit ihr Rücken nahtlos gebäunt wurde, und schlief ein. An jenem Tag waren die Wellen perfekt, aber Griffin sagte zu Peter, er habe keine Lust zum Bodysurfen, wohingegen er berauscht war von der Möglichkeit, Peters Mutter könnte erwachen, für einen Augenblick vergessen, dass sie das Bikinioberteil geöffnet hatte, und sich aufrichten. Das tat sie natürlich nicht, aber wieder hatte Griffin das Gefühl, dass Peter wusste, was im Kopf seines Freundes vor sich ging.
Hatte er sich je so elend gefühlt wie am Ende dieser Sommerferien auf dem Cape? Später, als Erwachsener, sicher nicht. In diesen beiden Wochen hatte er sich, so unwahrscheinlich es auch war, in die ganze Familie Browning verliebt, und jeder Tag war, selbst wenn es regnete, herrlich. In der zweiten Woche aber begann alles zu kippen, denn jeder Tag ließ das Ende ihres Aufenthalts unaufhaltsam näherrücken. Der Gedanke, nach Hause zu fahren und Peter und die anderen Brownings nie wiederzusehen, erzeugte in Griffin ein dunkles, komplexes Gefühl, nicht weniger stark als Liebe. Einen Teil davon erkannte er als Verzweiflung, als panische Angst, die ihm Kraft und Atem raubte, eine Gewissheit, dass nichts je wieder normal werden würde, oder schlimmer: dass die Normalität nie wieder genug sein würde und dass das Leben, wie er es kannte, auf eine einzige Entbehrung hinauslief. Doch es gab etwas, was ihm noch mehr Angst machte als die Verzweiflung: das Verlangen nach … was? Das Verlangen danach, sich zu verletzen. Sich einen Schmerz zuzufügen, der schlimmer war als der, den er bereits spürte. Dafür zu sorgen, dass das, was zerbrochen war, nie wieder
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