Diese alte Sehnsucht Roman
herunter. Doch selbst mit fest geschlossenen Augen sah er die Wunderkerzen der Brownings, die ihre kollektive Freude ins Dunkel zeichneten.
Es war ein guter Stoff für eine Erzählung, aber irgendwie war es Griffin gelungen, ihn beim Erzählen zu verderben, und als der Streik früher als erwartet beendet wurde, tat er enttäuscht, war in Wirklichkeit aber erleichtert. Die Geschichte war bereits zu lang, aber er hatte trotzdem keine Ahnung, wie er sie beenden und den Konflikt auflösen sollte, den er nie klar zu artikulieren vermocht hatte. Er hatte einfangen wollen, was es bedeutete, unglaublich glücklich und unglücklich zugleich zu sein und sich im Griff neuer, starker, unverständlicher Gefühle zu befinden. Doch als er las, was er geschrieben hatte, erschien es ihm falsch. Er wollte, dass der Leser sich so in die Brownings verliebte wie er selbst, doch auf dem Papier wirkten sie – und insbesondere Peter – wie eine Sitcom-Familie. In der Geschichte machten die beiden Freunde lange Spaziergänge am Strand, wie Griffin und Peter sie tatsächlich unternommen hatten, und entfernten sich dabei so weit, dass ihre Eltern nur noch Pünktchen zwischen den Dünen waren, bevor sie schließlich ganz verschwanden und die beiden allein und zufrieden mit der Welt dahingingen und sich über alles unterhielten, was ihnen gerade einfiel. Leider konnte Griffin sich an kein einziges dieser Gespräche erinnern, und wenn er versuchte, eines zu erfinden, klang es … erfunden – als hätte ein Erwachsener die Zeit der Jugend mit zu viel oder zu wenig Bedeutung aufgeladen. Er entdeckte, dass seine Erinnerungen an jenen Sommer wie schlechte Filmmontagen waren: Die jungen Liebenden, die sich im Park ein Frisbee zuwarfen, sich ein schmelzendes Eis in der Waffel teilten, am Flussufer entlangradelten, lachten, redeten, einander küssten, das Ganze unterlegt mit sentimentaler Musik, die einen Dialog überflüssig machte, weil der Autor keine Ahnung hatte, was die beiden einander wohl zu sagen hatten.
Und nicht bloß die Einzelheiten dieser Freundschaft waren ihm entfallen. Peters Schwester … mit ihr war doch irgendetwas gewesen, oder nicht? Griffin erinnerte sich dunkel, dass sie irgendwelche Anfälle bekommen hatte, wenn sie müde oder überreizt war, aber was für Anfälle? Atemnot? Nein, das war es nicht ganz, aber da war etwas gewesen. Er erinnerte sich, dass das kleine Mädchen fiebrig und zusammengekrümmt auf dem Schoß der Mutter gesessen hatte und die Eltern einen so ängstlichen wie traurigen Blick gewechselt hatten, ein Detail, das in seiner Geschichte gar nicht vorkam. Dasselbe galt für Peters Vater. In Wirklichkeit war dieser Mann auf eine zwiespältige Weise faszinierend gewesen. Er hatte einen sehr großen Kopf und war nicht eigentlich hässlich – auch wenn Griffins Vater wesentlich besser aussah –, aber Griffin fragte sich doch, wie Mr. Browning es geschafft hatte, eine so schöne Frau zu erobern. Allerdings besaß er eine gewisse körperliche Eleganz, eine Sicherheit in seinen Bewegungen. Zwischen dem, was er tun wollte, und dem, was er tat, schien eine Verbindung zu bestehen. Griffin konnte sich nicht vorstellen, dass Peters Vater jemals mitten in einem Zimmer stand und nicht wusste, was er als Nächstes tun würde – die typische Haltung seines eigenen Vaters. Und Peter hatte vor seinem Vater keine Angst gehabt, war aber immer respektvoll gewesen, als wüsste er nur zu gut, dass dieser trotz aller Freundlichkeit kein Mann war, mit dem man sich anlegte. Wie war dieser Mensch in Griffins Geschichte nur so zweidimensional geraten, ein Surrogat für Lebensklugheit, die Stimme der Wahrheit, wie die Welt der Erwachsenen sie sah?
Und was noch peinlicher war: Er konnte nicht sagen, ob er sich selbst überhaupt richtig geschildert hatte. Immer wieder stellte Griffin sich Randbemerkungen des Studios vor: Wer ist dieser Junge? Was will er? Oder schlimmer: Warum sollen wir uns für ihn interessieren?
»Der Junge ist schwul, stimmt’s?«, fragte Tommy. »Darauf läuft es hinaus, nicht?«
Griffin wollte ihm die Geschichte nicht zeigen, aber Tommy ließ nicht locker.
»Und am Ende begeht er Selbstmord.«
»Nein«, sagte Griffin entmutigt, »nichts dergleichen.«
»Denn danach sieht es aus, es sei denn, der kleine Scheißer hat das unwahrscheinliche Glück, die Mutter seines Freundes zu vögeln.«
»Nein«, gab Griffin zu, »auch das nicht.«
Möglicherweise war Tommy noch sauer auf ihn, weil er an diesem Mist
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