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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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hätten.
    »Sag das deinem Alten«, bemerkte Griffin, denn es war Harve, der immer wieder vom Krieg anfing, der sich hartnäckig weigerte zuzugeben, dass er ein Fehler gewesen war, und der genüsslich darauf hinwies, die Dominotheorie sei »nie widerlegt« worden, als hätten die Kritiker des Krieges auch dabei versagt. Außerdem, dachte Griffin, sprach es aber nicht aus, war eine solche Versöhnung mit seinen Eltern nicht nötig. Als eingefleischte linke Intellektuelle wären sie nie auf den Gedanken gekommen, dass asiatische Abenteuer irgendetwas anderes sein könnten als eine monumentale Dummheit. Und was noch besser war: Sie lebten am anderen Ende des Landes und waren vollkommen vom fortlaufenden Psychodrama ihres vermasselten Lebens in Anspruch genommen. Sie forderten keine Besuche, ja sie ermunterten nicht einmal dazu. Sie hatten nie so getan, als interessierten sie sich für Kinder, und ein Enkelkind würde daran wohl nichts ändern. Als Griffin seine Mutter anrief, um ihr zu mitzuteilen, Joy sei schwanger, sagte sie nur: »Dann hat sie ja jetzt endlich ihren Willen.« Sie . Unglaublich. Damals waren sie schon wie lange verheiratet? Sieben Jahre? Und seine Mutter benannte seine Frau nicht mit ihrem Namen, sondern mit dem Pronomen. Konnte man denn erwarten, dass sie sich die Namen von Leuten merkte, die nicht promoviert hatten? Wenn einer seiner Eltern anrief, was selten geschah, nahm Griffin den Anruf stets in seinem Arbeitszimmer entgegen, bei geschlossener Tür. »Du musst das nicht tun«, sagte Joy, wenn er zehn oder fünfzehn Minuten später und gewöhnlich schlechter Laune wieder herauskam.
    »Kein Grund, euch ihnen auszusetzen«, sagte er dann, und sie ließ es auf sich beruhen, denn die beabsichtigte Implikation war nur allzu klar. Ein Bann über beide Familien – das war die Vereinbarung, auf die er in Truro hingearbeitet hatte, und er hatte vor, seinen Teil einzuhalten, auch wenn sie das nicht tat.
    Während der ganzen Schwangerschaft war niemand fürsorglicher zu Joy als Tommy. Für den kleinen Enrique (Tommy war überzeugt, dass es ein Junge werden würde) hörte er auf zu trinken – um sich zu bessern, wie er sagte, und seines Patenkindes würdig zu sein. Griffin erinnerte sich deutlich daran, wie sein Freund das Baby zum ersten Mal gehalten hatte, wie widerstrebend er es wieder in Joys Arme gelegt hatte, um sich dann zu Griffin zu wenden und zu sagen: »Du Glückspilz.« Und wie recht er hatte. Griffin hatte es in dem Augenblick gemerkt, als die Schwester ihm im Krankenhaus seine Tochter in den Arm gelegt hatte: Dieser wild fuchtelnde kleine Körper erschien ihm Grund genug für seine eigene Existenz.
    Aber genau das war es: Tommy hatte das die ganze Zeit, in der Joy anschwoll und ihr Gang immer watschelnder wurde, gewusst, während Griffin, vernagelt, wie er war, beim Anblick seiner schwangeren Frau immer nur die Stimme seiner Mutter gehört hatte: Dann hat sie ja jetzt endlich ihren Willen .
    Ja, irgendwann zu dieser Zeit musste es geschehen sein, und wer konnte ihr einen Vorwurf machen? Wie sollte Joy nicht Zuneigung für einen Mann empfinden, der während ihrer Schwangerschaft nur zu gern Mineralwasser getrunken hatte, damit sie nicht die Einzige war, die keinen Alkohol trank?
    Tommy hatte angerufen, kaum dass Griffin aus dem Haus gegangen war, erklärte Joy, und das Ironische war, dass er eigentlich gar nicht mit ihr hatte sprechen wollen. Er hatte von einem Drehbuchauftrag gehört, der Griffin, wie er glaubte, interessieren könnte. Doch dann hatte er sie gefragt, wie es ihr gehe, und sie war einfach zusammengebrochen. Bei ihrer Mutter hatte man kürzlich Brustkrebs festgestellt, und die Behandlung begann in dieser Woche, und sie selbst lebte nun so weit entfernt, und Laura wuchs so rasch heran und wurde zu einer jungen Frau, bevor sie das Glück, ein Kind zu haben, voll ausgekostet hatte, und als sie Tommys Stimme hörte, merkte sie, dass sie mit ihm und nicht mit Griffin über all das sprechen wollte, mit Tommy, der als Einziger verstehen würde, welche Gefühle des Verlustes von allen Seiten auf sie einströmten. Er war, das wurde ihr nun bewusst, ihr bester Freund. Er hätte mehr sein können, wenn sie es zugelassen hätte. Vielleicht hätte sie es zulassen sollen.
    Klick . Griffin sah zu, wie der Minutenzeiger um einen Strich weiterrückte.
    Um sechs stand er auf und zog leise Shorts, ein Polohemd und Sandalen an. Er war ziemlich sicher, dass auch Joy wach war und dass sie nicht

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