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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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und den ganzen Film gefährdete. (Ja, Joy würde diese Metapher nicht gefallen, aber sie passte.)
    INNEN, GESCHMACKVOLL EINGERICHTETES PENSIONSZIMMER: NACHT.
    Ein Mann (Mitte fünfzig, schlank, trotz des zurückweichenden Haaransatzes einigermaßen gut aussehend) sieht aus dem Fenster, doch sein erschöpftes Gesicht wird von der Glasscheibe reflektiert. Eine Frau in seinem Alter, schön, aber niedergeschlagen, sitzt auf dem Himmelbett und stützt den Kopf in die Hände. Offenbar streiten die beiden, und zwar schon seit einiger Zeit.
    MANN
    Ist es vorbei? Kannst du mir wenigstens das sagen?
    FRAU
    ( sieht ungläubig auf ) Vorbei? Siehst du denn nicht, dass es nie angefangen hat?
    MANN
    Gut, angenommen, ich glaube dir, und du hast nie …
    FRAU
    Angenommen , du glaubst mir?
    MANN
    ( beschämt ) Auch wenn es nie … Meine Frage ist: Hast du Angst, ihn wiederzusehen? Ist das der Grund, warum du nicht nach L.A. willst?
    FRAU
    Ich weiß nicht … Vielleicht.
     
    Er wendet sich zu ihr. Lange Zeit sagt keiner von beiden etwas.
    MANN
    Erklär mir das. Wie kommt’s, dass du von unserem Leben enttäuscht bist und ich nicht?
    FRAU
    ( schüttelt den Kopf ) Verstehst du denn nicht? Ich bin nicht enttäuscht. Und darum will ich das, was wir haben, nicht aufs Spiel setzen. Wir sprechen hier über etwas, das vor langer Zeit passiert ist. Es hätte nicht passieren sollen, aber es ist passiert. Ich hab mich von meinen Gefühlen überwältigen lassen, und das tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich deine Gefühle verletzt habe. Aber ich habe mich für dich entschieden . Sind die vergangenen zwanzig Jahre nicht Beweis genug?
     
    Er kann noch immer nicht glauben, dass sie jemals einen anderen als ihn geliebt hat.
    MANN
    ( bockig ) Die sind ein Beweis dafür, dass du deine Tochter liebst.
    FRAU
    Ja, ich liebe unsere Tochter.
    MANN
    ( bitter ) Und wie würdest du Harve und Jill und Prinzessin Grace von Marokko erklären, dass du dich in einen anderen verliebt hast? Denn das würde ja bedeuten, dass du deine Meinung über etwas geändert hast, und das tut man in deiner Familie nicht.
    NAH AUF DEN MANN
    Er weiß, dass er so etwas nicht sagen sollte, doch er kann nicht anders.
    MANN
    Was sagt dein Vater immer? »Die Dominotheorie ist nie widerlegt worden.«
    FRAU
    Wenigstens kommen wir jetzt zum eigentlichen Thema.
    MANN
    (ungläubig) Und das wäre?
    FRAU
    Unsere Eltern.
    MANN
    Also, meine  Eltern haben damit überhaupt nichts zu tun. Die haben sich von Anfang an rausgehalten.
    FRAU
    ( sehr traurig ) Aber du siehst das alles ganz falsch. Du wirfst meinen  Eltern immer vor, dass sie sich in unser Leben einmischen. Und du denkst, du ersparst mir etwas, indem du in dein Zimmer gehst und die Tür zumachst, wenn deine Eltern anrufen.
    MANN
    Mal sehen, ob ich dich richtig verstanden habe: Willst du damit wirklich sagen, dass meine Eltern der Grund sind, warum du dich in Tommy verliebt hast?
    HALBNAH AUF DIE FRAU
    Sie ist aufgestanden, hat sich ihm zugewandt und spricht mit zunehmendem Selbstvertrauen. In ihrem ganzen Eheleben ist sie ihm noch nie so offen entgegengetreten.
    FRAU
    Ich will damit sagen, dass »aus den Augen« nicht »aus dem Sinn« bedeutet. Du denkst, du schließt deine Mutter aus deinem Leben – aus unserem Leben – aus, aber wenn dir ein Vogel auf den Kopf scheißt, gibst du ihr die Schuld. Denk mal darüber nach. Du glaubst, dein Vater ist weg, weil er tot ist, aber er ist nicht  weg. Er hat dich das ganze Jahr heimgesucht. Und jetzt, in diesem Augenblick, ist er im Kofferraum deines Wagens, und du bringst es nicht über dich, seine Asche zu verstreuen. Meinst du nicht, das hat vielleicht etwas zu bedeuten?
    Griffin kam an ein Stoppschild oder etwas, das er dafür hielt: irgendetwas Achteckiges, möglicherweise rot. Er lauschte, ob sich vielleicht ein Wagen näherte, doch es war nichts zu hören als das Läuten der entfernten Boje. Er bog links ab, denn er erinnerte sich (oder glaubte sich zu erinnern), dass dieser Weg ihn durch das Dorf und hinunter zum Hafen führen würde. Doch das stimmte nicht, denn beinahe übergangslos war die Straße rechts und links von dunklen, gespenstischen Bäumen gesäumt anstatt von Häusern, was bedeutete, dass er sich vom Hafen entfernte. Machte nichts. Es musste ja nicht der Hafen sein, nicht einmal Salzwasser. All das hatte gestern noch eine Rolle gespielt, doch heute nicht mehr. Das Wichtige – nein, das Entscheidende – war, dass er diesen Mann loswurde und damit den einzigen

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