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Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Titel: Diese Dinge geschehen nicht einfach so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taiye Selasi
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-Prozentbereich, sie hat es nach Yale geschafft (über die Warteliste, aber immerhin), hat es sich bequem eingerichtet mit Zweien und mit Managementpositionen bei Teams und in Jahrgangs-Komitees, hat sich gesonnt in dem Glanz, der von Philae abstrahlt und der ihr die Aufmerksamkeit von flachsblonden Verbindungsstudenten einbrachte, die ihre Zöpfe süß fanden –, aber sie muss immer noch irgendein spezielles Talent ausgraben, das sie endlich in dieselbe Liga wie ihre Geschwister befördert.
    Panik. Sie steigt langsam hoch, diese Panik, aus ihrem Bauch, wo diese Panik immer schlummert und auf solche Momente wartet. Sadie läuft vom Bett zum Bad, das zu dem großen Schlafzimmer gehört, und kniet sich vor die Toilette, um das Ding herauszulassen. Hoch kommen die Erdnüsse, die Cola und die sechs Brötchen, die sie im Flugzeug, hinter Olu und Ling, gegessen hat, sie hat das Brot in Stücke zerrissen, passend für eine Taube, bevor sie dann alles verschlang, während die anderen schliefen.
    3
    Taiwo und Ling im Schlafzimmer mit dem einen Bett.
    Verlegen tun sie so, als würden sie auspacken.
    Ling sieht die Vase auf dem Nachttisch und ist begeistert. »Eure Mutter ist phantastisch.«
    »M-hmm«, macht Taiwo. Sie kauert vor ihrem Koffer auf dem Fußboden und sucht unkonzentriert ein Hemd, passend für den allgemeinen Mittagsschlaf. Sie spürt Ling hinter sich und dass diese sich bemüht, irgendwie ein Gespräch anzuleiern, als wären sie Zimmerkolleginnen an ihrem ersten Tag im Studentenwohnheim, einerseits nervös, andererseits enthusiastisch angesichts der tollen Möglichkeit, dass diese Fremde die beste Freundin fürs Leben werden könnte. Sie sind sich schon bei anderen Anlässen begegnet – bei Olus verschiedenen Feiern, meistens bei Geburtstagen, wenn die Familie nach New Haven fuhr, in dem kleinen blauen Lieferwagen mit der Heckklappe, chaotisch wegen der Blumen, Baby Sadie noch in der Grundschule und sie und Kehinde gerade zurück –, aber das waren die Jahre, die sie, Taiwo, stumm verbrachte und immer nur schweigend im Sally’s saß und aß, deshalb hat sie erst später, etwa gegen Ende des Medizinstudiums, überhaupt mit Ling ein paar Worte gewechselt und sie etwas näher kennengelernt.
    Damals merkte sie, dass Ling, genau wie Olu, total versessen darauf ist, dass alles immer gut läuft, und deshalb nicht stillsitzen kann. Sie flattert und flitzt herum und lacht dabei die ganze Zeit, als wollte sie mit allen Mitteln verhindern, dass ein Beachball den Boden berührt. Das Hauptproblem ist der fehlende Filter. Ling sagt, was sie denkt, dann lacht sie über ihren Gedanken, was sehr nett wirkt (allerdings auch anstrengend, adoleszent). Wenn sie nicht hübsch wäre, fände man sie nervig. Aber stattdessen ist sie niedlich.
    Das stört Taiwo am meisten: dass Ling so
niedlich
ist, nur einsfünfzig, mit einem dünnen schwarzen Pferdeschwanz, der hüpft, während sie neben Olu her hüpft, immer zwei Schritte gegen einen. Taiwo traut niedlichen Frauen nicht über den Weg, findet sie nicht erwachsen (ein niedliches Mädchen geht ja noch – aber eine niedliche Erwachsene ist nicht auszuhalten). Solche Frauen erwecken immer den Eindruck, als hätten sie etwas zu verbergen, als würden sie auf hilflos machen und irgendeinen Wunsch überspielen. Ohne Ausnahme sieht Taiwo in den süßen Augen mit den langen Wimpern ein schwelendes Verlangen, das in ihren eigenen wesentlich unverhohlener brennt, das bei den anderen aber vielleicht noch stärker ist, berechnender, zielgerichteter, allerdings durch die Mädchenhaftigkeit kaschiert und ganz und gar verlogen. Sie sind Frauen im wahrsten Sinn, erfüllt von sanfter Macht, aber gleichzeitig tun sie so, als wüssten sie nicht, was sie wollen und dass sie überhaupt etwas wollen – als wäre es ungebührlich, etwas zu wollen, ein Makel, der klug übertüncht werden muss durch den Anschein der Hilfsbedürftigkeit und der gleichzeitigen Zufriedenheit.
    Und genauso ausnahmslos ist sie selbst in der Gegenwart dieser Frauen dann diejenige, die mit Makeln behaftet erscheint, die sich selbst komischerweise als zu präsent empfindet, entblößt, irgendwie penetrant, fast bedrohlich, viel zu sehr Frau, zu sichtbar für eine Frau, dunkel, der schwarze Schwan. Während also Ling lacht und von einem Gedanken zu nächsten hüpft, wie eine gebildete Tinkerbell mit ADHS (und mit Zange) erscheint sie, Taiwo, kompakt und wütend, unnachgiebig im Vergleich, ein Ding, das auf die Erde gestürzt

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