Diese eine Nacht mit dir
ruhig wie möglich zu antworten. „Ich wollte sie beschützen. Ich wollte uns beschützen.“
Rico schien ebenfalls zu merken, dass das Kind Angst bekam. „Wovor?“, fragte er etwas leiser, aber immer noch wütend. „Du hattest kein Recht, so eine Entscheidung zu treffen.“
Gypsy suchte nach Worten. Wie sollte sie diesem Mann erklären, was sie empfunden hatte, als sie feststellte, dass sie schwanger war?
„Ich sah dich an jenem Morgen in den Nachrichten“, brach es aus ihr heraus. „Ich sah dich aus einem Gerichtsgebäude kommen. Du hattest gegen eine Frau prozessiert. Nach diesem Prozess war sie nur noch ein seelisches Wrack. Und alles nur, weil sie zu beweisen versuchte, dass du der Vater ihres Kindes bist.“
Rico machte eine ungeduldige Handbewegung. „Du hast ja keine Ahnung, worum es da ging. Ich statuierte ein Exempel an ihr. Keine andere Frau sollte mehr auf den Gedanken kommen, sie könnte mich auf diese Weise drankriegen.“
Angriffslustig reckte Gypsy das Kinn vor. „Und da wirfst du mir vor, dass ich nicht sofort zu dir kam und dir von meiner Schwangerschaft erzählte? Als du an diesem Morgen wortlos verschwunden bist, hast du mir doch sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass du mich nicht wiedersehen willst. Und wie du mit einer Frau umgehst, die behauptet, Mutter deines Kindes zu sein, habe ich dann ja gesehen.“
Rico war kurz davor, ihr zu gestehen, wie sehr er seine überstürzte Flucht bereute. Gleich nach dem Prozess hatte er im Hotel angerufen. Aber sie war nicht mehr da gewesen. Doch ihr diese Schwäche zu zeigen, brachte er nicht über sich. Jetzt nicht mehr.
Gypsy sah, wie Ricos Gesicht sich noch mehr verhärtete.
„Dieser Frau bin ich nur in der Öffentlichkeit begegnet“, erwiderte er mit eisiger Stimme. „Und weil ich auf ihre Avancen nicht einging, versuchte sie mit ein paar armseligen Tricks zu beweisen, dass das Baby von mir sei. Ich bestand auf einem Vaterschaftstest und ging vor Gericht.“
Gypsy überlief es kalt. Er war genauso erbarmungslos, wie ihr Vater ihn beschrieben hatte. „Aber du hast den Ruf der Frau ruiniert, indem du sie vor Gericht zerrtest.“
„Daran ist sie selbst schuld“, meinte er ungerührt. „Ich gab ihr sogar Gelegenheit, es nicht so weit kommen zu lassen. Aber sie lehnte ab. Sie glaubte eben, sie hätte leichtes Spiel mit mir und ich würde zahlen, damit sie den Mund hielt. In der Gerichtsverhandlung gestand sie ziemlich schnell, wer der echte Vater war. Der besaß leider nur eine magere Million Euro. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich damit zufriedenzugeben. Glaub mir, sie verdient dein Mitleid wirklich nicht.“
Gypsy fragte sich, wie die Frau sich solchen Illusionen hatte hingeben können. Gegen ihren Willen musste sie eingestehen, dass er sie überrascht hatte. „Aber du glaubst, dass Lola von dir ist?“
Rico sah ihr in die Augen, und irgendwo in ihrem Innern erwachte ein solches Feuer, dass ihr ganz heiß wurde. „Abgesehen davon, dass du es mir gesagt hast, kann ich mir noch aus einem anderen Grund ziemlich sicher sein, dass sie meine Tochter ist. Damals ist nämlich mein Kondom gerissen. Und als du mir versichertest, es bestünde kein Risiko, glaubte ich dir.“
Gypsy konnte sich nur noch an den Moment erinnern, als er das Kondom überstreifen wollte. „Bitte, Rico … hör nicht auf“, hatte sie ihn angefleht. Vielleicht hatte es mit dem Kondom nicht geklappt, weil sie ihn so drängte. Aber sie war fest davon überzeugt gewesen, es könnte nichts passieren. Allerdings hatte sie nicht daran gedacht, wie unregelmäßig ihr Monatszyklus nach dem Tod ihres Vaters war.
„Und außerdem: Du fragst mich das, obwohl sie mir wie aus dem Gesicht geschnitten ist?“ Abfällig verzog er den Mund. „Aber keine Angst. So naiv bin ich nicht. Ich lasse natürlich noch einen Vaterschaftstest machen.“ Er lachte hämisch. „Ich soll glauben, ich hätte die einzige Frau auf der Welt geschwängert, die keinen Cent von meinem Vermögen will? Das kannst du nicht von mir erwarten.“
Er ließ sie nicht zu Wort kommen.
„Vielleicht wolltest du sie mir auch erst vorstellen, wenn sie etwas älter ist. Ein mageres, schlecht ernährtes Kind – das wäre dann die richtige, herzzerreißende Geschichte für die Öffentlichkeit. Aber vielleicht genießt du ja auch das Wissen, deiner eigenen Tochter das väterliche Erbe vorzuenthalten?“
Gypsy presste Lola schützend an sich. Wütend blickte sie sich in dem schäbigen Zimmer um.
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