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Diese eine Woche im November (German Edition)

Diese eine Woche im November (German Edition)

Titel: Diese eine Woche im November (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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die oberen Etagen bewohnen. Das Erdgeschoss liegt unter Wasser.
    Im ersten Stock geht Sandro auf und ab. Sandro mit der Grabesstimme, der Mann, der Schwarz für sich und seine Aufgabe am passendsten findet. Schwarzer Anzug, gelecktes schwarzes Haar, sogar die Handschuhe sind aus schwarzem Leder. Er betrachtet sich im Glas der Vitrine. Ein ungewöhnlicher Gegenstand wird darin aufbewahrt. Ein Wappenschild aus getriebenem Silber, ein Kranz aus Schlangen umwindet seinen Rand. Sandro interessiert sich allerdings vor allem für sein eigenes Spiegelbild.
    » Gefällst du dir? « Jemand ist im Schatten der Türöffnung aufgetaucht.
    » Trucido « , begrüßt Sandro den Eintretenden.
    Der Saal misst 36 Meter in der Länge und hat an der Breitseite eine vier Meter hohe Flügeltür. Der Mann ist allerdings durch eine unsichtbare Tür gekommen. Sie verbirgt sich in der dunkelgrünen Wandtäfelung.
    Ohne Sandro anzusehen, geht der Mann an ihm vorbei. Er trägt einen Morgenmantel, nicht etwa aus Seide oder Brokat, es ist ein schlichter Frotteebademantel. Er bedeckt die Hälfte seiner Beine, die Waden sind weißhäutig und von Adern durchzogen. An den Füßen trägt er Pantoffeln. Er läuft zum Schreibtisch.
    » Schon gelesen? « Aufgeschlagen liegt eine deutsche Zeitung da. » Hier steht, der Juwelenraub in Düsseldorf war der dreisteste Überfall in der jüngeren Geschichte. Gratuliere, mein Lieber. «
    Hinter dem Schreibtisch steht eine Büste, ein Marmorkopf. Das Haar ist in die Stirn gelockt, der Gesichtsausdruck von großer Entschlossenheit. Die Köpfe der beiden Männer haben einiges gemeinsam. Das weiche Kinn, der gierige Mund, die schlaffe Nase, markante Brauen über tief liegenden Augen. Vater und Sohn, könnte man denken, wäre der Kopf aus Stein nicht jahrhundertealt.
    Der Mann im Bademantel setzt sich. » Ich bin überzeugt, Commissario Gianfranco vom Raubdezernat hat die gleiche Zeitung auf dem Schreibtisch. «
    Sandro tritt näher. » Er wurde mit dem Fall beauftragt. «
    » Das ist verständlich. Weil er Deutsch spricht. «
    » Auch der Ermittler aus Düsseldorf ist inzwischen in Venedig angekommen « , antwortet Sandro. » Sie haben sich getroffen. «
    Der Trucido hebt den Blick. » Deine Idee, den Commissario zu beschatten, war richtig. Du hast den deutschen Wolfshund aufgespürt. « Er lächelt. » Es war anzunehmen, dass die Deutschen den Juwelenraub nicht ihren italienischen Kollegen überlassen würden, verschlafen und bestechlich wie unsere Polizei nun einmal ist. « Mit einem Mal sieht der Mann im Bademantel Sandro erwartungsvoll an. » Das bringt uns zu dem Verräter, durch den unser Plan ins Fadenkreuz gerät. Hast du mir etwas mitgebracht? «
    Sandro stellt eine Plastiktüte auf den Tisch und legt ihren Inhalt frei.
    Nachdenklich betrachtet der Trucido die Menschenhand. » Gab es Schwierigkeiten? «
    » Franco hat sich wie ein erbärmlicher Feigling benommen « , antwortet der Schwarzhaarige.
    » Franco ist kein Feigling. Er war nur leider viel zu gierig. « Der Trucido berührt die tote Hand. » Du hast den Ring nicht abgezogen. «
    » Zum Beweis, dass wir den Richtigen bestraft haben. « Sandro richtet sich auf. » Soll ich die Hand vernichten? «
    » Lass sie hier. Geh jetzt. Beschatte den Deutschen und halte mich auf dem Laufenden. «
    Sandro zieht sich zur Flügeltür zurück.
    Nachdem der andere den Saal verlassen hat, umfasst der Trucido die leblosen Finger wie zum Handschlag.
    » Franco, mein alter Weggefährte « , sagt er. » Wie konntest du mich für so dumm halten? «
    Er zieht den Ring vom Finger. Es ist eine feine Goldschmiedearbeit, ein Kranz aus Schlangen umwindet einen Diamanten.
    » Stück für Stück « , murmelt der Mann im Bademantel. » Stück für Stück hole ich mir zurück, was mir gehört. «
    Das Licht der Schreibtischlampe lässt den Brillanten funkeln.

10

    I ch will ausgehen, Papa. «
    » Wohin? «
    » Irgendwohin. Durch die Stadt laufen, vielleicht tanzen, irgendwas. «
    » Ohne Begleitung kannst du nicht gehen. « Herbert liegt auf dem Bett. Er trägt die Hose von heute Mittag und weiße Strümpfe. Er fühlt sich nicht gut.
    » Warum kommst du nicht mit? « , fragt Julia, obwohl es das Letzte ist, was sie möchte.
    » Ich habe Kopfweh. «
    » Wovon? «
    » Von … « Er stopft ein weiteres Kissen in den Rücken. » Vielleicht der Klimawechsel.«
    Herbert hat ein schlechtes Gewissen. Der Gang ins Guggenheim-Museum war ein Reinfall. Benebelt vom Wein, konnte er die

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