Diese eine Woche im November (German Edition)
steckt dahinter.
» Echt, Zufall « , ruft er hoch.
» Hast du ein bisschen Zeit? «
Eine simple Frage, schlicht gestellt, aber sie klingt für Tonio wie Musik. SIE fragt ihn, ob er Zeit hat?
» Schon möglich « , antwortet er so cool, wie das mit zurückgelegtem Kopf möglich ist.
Übermütig schlägt sie auf die Brüstung. » Super. Komm rauf. Mein Vater will dich kennenlernen. «
» Vater? « Noch keine drei Sätze gewechselt, schon soll er ihrem Vater vorgestellt werden? Ist das die deutsche Art, die Dinge anzupacken?
» Zimmer Nummer siebzehn. « Sie verschwindet vom Balkon. Die Tür fällt zu.
Tonio verscheucht seine Zweifel und nimmt die Beine in die Hand.
» Moment mal. « An der Rezeption richtet sich der Hotelportier auf. » Zimmernummer? « Er greift nach seiner Brille.
» Siebzehn! « , ruft Tonio, als läge in der Ziffer alles Glück. » Ich werde erwartet! «
Er nimmt drei Stufen auf einmal.
11
D as ist Toto « , sagt Julia, kaum dass sie die Tür geöffnet hat. Herbert hatte nicht mal Zeit, sich Schuhe anzuziehen.
» Äh – Tonio. « Er bleibt auf dem Korridor.
» Tonio. Natürlich. « Sie zieht ihn herein und stellt ihn ihrem Vater vor.
Herbert fühlt sich überrumpelt. » Sie sind also der Held in dieser Angelegenheit « , sagt er auf Deutsch.
In seinem Job schnappt Tonio immer wieder fremdsprachige Brocken auf, trotzdem versteht er nicht, was der Deutsche sagt. Er ist vom Bett aufgestanden und gibt ihm die Hand. Der Graumelierte überragt Tonio um Haupteslänge. Julia dolmetscht den Satz ihres Vaters.
» Das war doch selbstverständlich. «
» War es nicht « , erwidert Herbert. » Die Kriminalitätsrate liegt in Venedig dreimal so hoch wie in anderen Touristenstädten. «
» Ja, es gibt viel Gesindel in unserer Stadt. « Tonio findet sein Selbstvertrauen wieder. » Als Tourist sollte man echt aufpassen. «
» Mein Papa ist Polizeikommissar, musst du wissen. « Julia schlüpft in ihre Schuhe. » Wo er hinkommt, wittert er sofort Verbrecher. «
» Polizei? « Schon ist Tonio vorsichtig. » Das ist … interessant. «
» Tonio – und wie weiter? « , fragt Herbert.
» Antonio Greco. « Dass er seinen Nachnamen nennen muss, passiert meistens nur, wenn ihn die Carabinieri aufgreifen.
» Was machen deine Eltern? «
Julia greift nach der Lederjacke. » So ist mein Papa. Er muss alle Leute gleich verhören. «
» Ich verhöre ihn nicht, wir plaudern. «
» Meine Mutter ist tot « , antwortet Tonio. » Mein Vater … arbeitet in der Industrie. «
» Ist er Manager? «
Bevor Julia das übersetzt, fasst sie den Jungen am Ärmel und manövriert ihn zur Tür. » Tonio will mir ein bisschen was von der Stadt zeigen « , sagt sie mit ihrem nettesten Lächeln.
Herbert läuft ihr zwei Schritte nach. » Ist es nicht schon etwas spät? «
» Viertel vor neun. « Sie lacht. » Da werden die Venezianer gerade erst wach. « Sie schiebt Tonio zur Tür hinaus. » Wir bleiben in der Gegend, okay? «
» Ja, klar « , stammelt Tonio und hat keine Ahnung, was hier vorgeht.
» Nicht später als zehn Uhr. « Herbert tippt auf die Armbanduhr.
» Ach nee, Papa, da können wir gerade mal um den Block laufen. « Auf seinen unerbittlichen Blick sagt sie: » Elf Uhr. «
» Zehn. Und keine Minute später. «
» Halb elf. « Bevor er etwas entgegnen kann, fällt sie ihm um den Hals. » Du bist der Beste! «
Die Tür schlägt zu. Julia und ihr italienischer Bekannter sind verschwunden.
Seufzend kehrt Herbert zum Bett zurück. Der Junge sah eigentlich ganz nett aus. Und sein Vater ist ein hohes Tier in einem Industriebetrieb. » Wird schon nichts passieren « , murmelt Herbert und legt sich hin. Der Kopf ist etwas besser.
Julia springt die Stufen hinunter.
» Warum so eilig? « Tonio kommt kaum mit.
» Falls Papa es sich anders überlegt. «
Sie kommen am Portier vorbei.
» Ihr Schlüssel, Signorina? « , fragt der Brillenträger.
» Mein Vater ist auf dem Zimmer. «
Sie laufen ins Freie. Die Nacht ist warm für November. Viele Fenster sind erleuchtet, man hört Musik. Unter dem Portal bleibt Julia stehen. » Hör mal. Damit wir uns recht verstehen. Ich will den Abend nicht mit dir verbringen. «
Tonio glaubt, er hört nicht recht.
» Ich wollte nur einfach raus und mein Vater hätte mich allein nicht fortgelassen. « Sie zuckt die Schultern. » Darum die Lüge. «
Er starrt sie an. » Nur deshalb hast du mich gerufen? «
» Nicht nur. Papa wollte dir wirklich danken. Die Sache mit
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