Diese eine Woche im November (German Edition)
dem Trecento. In diesem Jahrhundert gab es fünfzehn Dogen in Venedig. Aber das Schlangenemblem grenzt die Suche ein. «
Herbert beugt sich vor. » Was ist das für ein Ding? Wozu diente es? «
» Es ist ein Wappenschild. «
» Wem gehört das Wappen? «
» Dem Großen Dogen . «
Als Kommissar des Raubdezernats Düsseldorf ist Herbert in italienischer Geschichte schlecht bewandert. » Sagt mir nichts. «
» Er regierte Venedig zwanzig Jahre lang. «
» Muss ziemlich betucht gewesen sein, wenn er ein brillantenbesetztes Wappen bestellen konnte. «
» Betucht? « Chichi versteht den Begriff nicht.
» Reich, meine ich . «
» Reich ist gar kein Ausdruck. Er war der oberste Verwalter des Reichtums von Venedig. La Venezia hatte damals Zugang zu allen Kostbarkeiten der Welt. Edelsteine aus China, Perlen aus Indien, Gold aus den Flüssen von Britannien! «
Herbert schmunzelt über den Patriotismus seines Kollegen. Das würde man in Düsseldorf kaum erleben, dass ein Polizist so von seiner Heimatstadt schwärmt. » Und das Wappen? «
» Der Doge hat es anfertigen lassen als sein Emblem. «
» Für sich als Machthaber Venedigs? «
» No, no. Das Wappen von Venedig ist der Markuslöwe mit dem Schwert. Dieses Große Siegel, wie es auch heißt, diente einer geheimen Bruderschaft als Emblem. Sie nannten sich die Trucidi. Hast du von ihnen gehört? «
» Ehrlich gestanden, nein. «
» Die Trucidi waren der mächtigste Geheimbund, der je in Venedig existiert hat. Er wirkte mehrere Jahrhunderte und wurde 1797 verboten. Das Entscheidende ist – « Chichi lehnt sich zurück. » Ich habe einen Hinweis, dass die Gesellschaft wieder neu auferstanden ist. Und zwar in Venedig. «
» Denkst du, dass diese Leute mit dem Düsseldorfer Juwelenraub zu tun haben? «
» Überleg mal: Wenn die Trucidi zu Einfluss und Macht gelangen wollen – «
» Brauchen sie ihr Wappen « , vollendet Herbert den Gedanken. » Was sagt dein Kontaktmann, dieser da Silva? «
» Das ist eigenartig. « Gianfranco stützt sich auf die Ellbogen. » Bei unserem letzten Telefonat hat er von einer gewissen Familie gesprochen. Einer venezianischen Familie, die aus Venedig verbannt wurde. «
» Verbannt? «
» Ja. Eine Familie … « Gianfranco unterbricht sich. » Ich habe Sie gebeten, zu warten « , sagt er auf Italienisch. » Was wollen Sie? «
Der Commissario schaut in die Mündung einer Pistole. Der Mann im blauen Overall zielt auf ihn. Ein Schalldämpfer ist auf die Waffe aufgesetzt.
» Nein! «
Herbert presst das Telefon ans Ohr. » Was ist los? Chichi! Mit wem redest du? « – » Nein! Weshalb? « , hört Herbert den anderen schreien. Den Schuss hört Herbert nicht.
Niemand hört den Schuss. In der Questura bleibt es still. Commissario Gianfranco sinkt hinter seinem Schreibtisch zusammen. Das Projektil hat ihn in die Stirn getroffen. Ein kleines Loch über dem rechten Auge, man könnte es für einen Leberfleck halten. Kein Blut auf der Stirn. Wo die Kugel austrat, hat sie eine klaffende Wunde hinterlassen. Der cremefarbene Sessel ist voll Blut.
Der Putzmann hört die Stimme aus dem Telefon. » Chichi, hallo, hallo! «
Sandro öffnet den Reißverschluss seines Overalls und verstaut die Waffe. Er hebt das Handy auf, das dem Toten entglitten ist. Das Display zeigt eine Nummer mit deutscher Vorwahl. Er drückt die rote Taste, die Stimme verstummt. Er winkt seinem Komplizen.
» Ich kümmere mich um die Leiche « , sagt Sandro. » Du machst hier sauber. Es muss aussehen, als ob der Commissario sein Büro wie jeden Abend verlassen hat. «
Seelenruhig schiebt der andere seinen Wagen hinein. Reiniger, Lappen, was er braucht, hat er dabei. Sandro hebt den toten Polizisten hoch, trägt ihn nach draußen und bettet ihn auf eine Plastikplane. » Arrivederci. « Er deckt den Commissario zu. Dessen Hand ragt heraus. Geduldig legt Sandro sie der Leiche auf die Brust. Er greift zum Telefon, tippt eine Nummer.
» Jetzt bist du dran « , sagt er zu jemandem ohne Begrüßung. » Er hat gerade telefoniert. Beeil dich. «
Der Mann im Büro besprüht den Sessel und beseitigt das Blut mit einem Schwamm. Sandro kommt zurück.
» Schaff ihn runter. « Er zeigt auf die verpackte Leiche. » Ich habe hier noch zu tun. «
Der Putzmann wischt ein letztes Mal übers Leder. Während er den Wagen hinausschiebt, setzt Sandro sich an den Schreibtisch. Der Computer des Commissario ist geöffnet. Systematisch löscht Sandro die Dateien, eine nach der anderen. Wo
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