Diese eine Woche im November (German Edition)
Geheimbund der Trucidi könnte wieder auferstanden sein. Es ist mir allerdings rätselhaft, weshalb sie einen deutschen Polizisten entführen sollten. « Rinaldo schiebt den Verband hoch und kratzt sich an der Stirn. » Ihr fahrt zum Lido. Ich recherchiere, an welchem Fall dieser Reichelt zuletzt dran war. Habt ihr Geld? Nehmt ein Wassertaxi, dann seid ihr im Handumdrehen drüben. «
» Geht es dir wirklich besser? «
» Haut schon ab. «
Während sie in den Fahrstuhl steigen, sagt Tonio zu Pippa: » Weshalb machst du eigentlich mit? Die Sache geht dich im Grunde doch gar nichts an. «
Manchmal ist es ernüchternd für Pippa, wie wenig dieser Junge kapiert.
» Sind wir Partner oder nicht? « , antwortet sie.
Die Tür schließt sich, der Aufzug setzt sich in Bewegung.
18
E in Laster fährt durch die Straßen Bolognas. Die Stadt liegt zwei Stunden südwestlich von Venedig, in der Mitte Italiens. Vorbei an der Piazza Maggiore, erreicht der Laster die Präfektur. Er passiert das Polizeigebäude und erreicht einen Boulevard. Boutiquen reihen sich dort aneinander, Delikatessenläden, Juweliere, Luxushotels, Restaurants. Der Laster passt nicht ins Ambiente dieser Straße. Ein schweres Fahrzeug, mit massiver Stoßstange. Seine Räder holpern über das Kopfsteinpflaster. Der Motor macht einen unangenehmen Lärm. Damen mit Hüten heben den Kopf, Geschäftsmänner blicken von ihrem Espresso auf. Ein Hund wird von der Bordsteinkante zurückgezogen.
Der Laster nähert sich einem Schaufenster. Es springt nicht besonders ins Auge. Das hat damit zu tun, dass in Bologna jeder die Firma Dondolorio kennt. So mancher wäre hier gern Kunde, aber nur die Reichen können es sich leisten.
Dondolorio existiert seit 1899. Die Firma wurde von Bernardo Dondolorio gegründet, seines Zeichens Uhrmacher. Dessen Sohn Filippo erweiterte das Angebot von Uhren auf Goldschmiedearbeiten. Seit dem Zweiten Weltkrieg bot Dondolorio auch Juwelen an. Nachdem Cristina Dondolorio die Firma 1989 übernommen hatte, war es ihr erklärtes Ziel, das Unternehmen zum führenden Juwelier Bolognas zu machen.
Das Geschäft ist mit einer modernen Sicherheitsanlage ausgestattet. Sollte das System Alarm geben, würde das Signal automatisch zur Polizei weitergeleitet. In wenigen Minuten wäre das Einsatzkommando zur Stelle. Dieser Fall ist noch nie eingetreten.
Friedlich liegt der Laden in der Mittagssonne. Luisa, die älteste Angestellte, hat den Haupteingang um Punkt 13.00 Uhr abgeschlossen und den Alarm scharf gemacht. Sie ist mit ihrem Kollegen Mittag essen gegangen.
Ganz Italien geht um 13.00 Uhr zum Mittagessen. Dieser Umstand lässt das Land für mehrere Stunden in einen Dornröschenschlaf fallen. Um eins schließen sämtliche Läden und Geschäfte, die Ämter und die Banken. Sie sperren frühestens um 16.00 Uhr wieder auf, manche arbeiten erst um fünf wieder. Der Abend dient in Italien nicht nur dem Vergnügen, man macht Geschäfte bis tief in die Nacht. Doch die Mittagszeit ist den Italienern heilig. Daher ist es eine hundsgemeine Idee, mit dem Laster ausgerechnet um 13.00 Uhr auf die Auslage des Dondolorio zuzusteuern.
Der Fahrer hat gehalten, er schnallt sich an. Setzt einen Motorradhelm auf und schließt das Visier. Er legt den ersten Gang ein, steigt aufs Gas, nach ein paar Metern schaltet er in den zweiten, gleich darauf in den dritten Gang. Die wenigen, die auf der Straße sind, können nicht glauben, was sie sehen. Der Laster macht vor dem Bordstein nicht halt, die Räder springen über die Kante hinweg, der Wagen rast über den Platz, auf dem Autos verboten sind, katapultiert mehrere Stühle eines Straßencafés beiseite und überrollt eine Topfpalme. Kein Hindernis liegt nun mehr zwischen dem Laster und dem Dondolorio.
Das Schaufenster besteht aus mehrfach geschichtetem, sechs Zentimeter dickem Panzerglas. Der Laster durchbricht es wie eine Eierschale. Er rammt die Vorderfront. Die Stoßstange zerstört nicht nur die Scheibe, sondern auch den Rahmen, die Mauer und die Stahlstreben, mit denen die Fassade verankert ist. Glas- und Metallteile fliegen durch die Luft. Beton bröckelt, das Haus bekommt einen Riss.
Nicht alles, was glitzert und durch die Luft fliegt, ist aus Glas. Juwelen im Wert von Hunderttausenden Euro werden von der Wucht des Aufpralls emporgeschleudert. Die kostbarsten Stücke liegen nicht in der Auslage, sie befinden sich im Inneren des Ladens, in alarmgesicherten Vitrinen. Es spielt keine Rolle, ob der Diebstahl dieser
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