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Diese eine Woche im November (German Edition)

Diese eine Woche im November (German Edition)

Titel: Diese eine Woche im November (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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Venedig? « Pippa betritt den dunklen Raum. » Hier gibt’s nichts als Baustellen und glotzende Touristen. «
    » Es geht um mehr als Venedig. « Rinaldo macht Licht. » Die Zusammensetzung der Bruderschaft lässt auf ein internationales Komplott schließen. « Er bemerkt, dass von draußen der Sicherheitscode eingegeben wurde. » Wir kriegen Besuch. «
    » Wer ist es? « Hastig bringt Pippa ihm das Tablet. » Tonio? «
    Rinaldo öffnet den Screen. » Tonio. Aber er ist nicht allein. «
    Im Bild der Überwachungskamera taucht ein heller Haarschopf auf.
    » Er hat sie mitgebracht? « Pippas Züge werden hart. » Mich hat er ein Jahr lang hingehalten, bis ich hier reindurfte. Die Blonde muss nur einmal mit den Wimpern klimpern und schon öffnet er die Tür. «
    Rinaldo beobachtet, wie der Junge vor den Elektrokasten tritt. » Er wird seine Gründe haben. «
    ***
    Der Laser gleitet über Tonios Fingerabdruck.
    » Steht dein Freund auf solches Spielzeug? « , fragt Julia.
    Hinter ihnen geht das Gitter hoch. » Es hält ihm ungebetene Gäste fern. «
    » Ein Einsiedler, der sich verbarrikadiert? Ein Hochsicherheitstrakt mitten in Venedig? Erklär mir doch erst mal … «
    » Komm endlich. « Tonio steigt in den Fahrstuhl. » Ich habe dir schon zu viel gesagt. «
    Warum ist er so nervös, weshalb fährt er sie unfreundlich an? Weil er ihre Nähe spürt, zugleich die Fremdheit. Weil er die Mauer zwischen ihnen nicht niederreißen kann.
    » Ich will aus den nassen Sachen raus. «
    Julia steigt in den Fahrstuhl. Er beugt sich vor das Mikrofon und sagt seinen Namen. Der Stimmerkennungsdetektor aktiviert den Mechanismus, der Lastenaufzug setzt sich in Bewegung.
    Sie stehen nebeneinander. Beide schauen auf die Ziegelwand, die langsam vor ihnen abwärtsgleitet. Unabsichtlich berühren sich ihre Hände. Die Härchen an seinem Arm stellen sich auf. Julias Finger schlüpfen in seine. Ihre Hand ist kalt und feucht. Sie zittert. Julia und Tonio starren geradeaus, als wäre die Ziegelwand das spannendste Programm. Er beugt sich zu ihr. Das kleine Ohr, die Schläfe mit dem Haarflaum, ihr nasses, verkrustetes Haar. Er küsst sie auf die Wange. Sie sieht ihn an, ihr Blick ist ernst. Der Aufzug wird langsamer. Ihre Lippen nähern sich, Julia wartet. Ohne sie zu umarmen, gibt Tonio ihr den ersten Kuss. Er schließt die Augen. Als er sie öffnet, trifft ihn Julias fragender Blick. Sie legt ihren Arm um seinen Nacken und küsst ihn inniger.
    Der Fahrstuhl hält. Schritte nähern sich. Rasch lösen sich die beiden voneinander. Die Tür geht auf. Ihnen gegenüber steht ein Mann mit langem weißem Haar und einem Kopfverband.
    » Guten Morgen. « Rinaldo betrachtet die jungen Leute. Nass sind sie, zerschunden, durchgefroren und überglücklich.
    » Entschuldige « , sagt Tonio. » Ich hätte sie nicht herbringen sollen. « Er nimmt ihre Hand. » Das ist Julia. «
    Das deutsche Mädchen steht vor dem Fremden. Er trägt ein Leinenhemd und weite Hosen. Keine Schuhe. » Ich bin Julia Reichelt « , sagt sie mit reservierter Höflichkeit.
    » Du bist ganz blau gefroren. «
    » Wir waren im Wasser. «
    » Weshalb? «
    » Das ist schwierig zu erklären. «
    » Ich bin Rinaldo. « Er gibt ihr die Hand.
    » Werden Sie mir helfen, meinen Vater zu finden? «
    » Zuerst müsst ihr unter die Dusche. Alle beide. «
    » Gleichzeitig? « , fragt sie und lächelt.
    Pippa ist ins Bad gelaufen und kommt mit Handtüchern zurück. » Ich bin Pippa. « Sie hält der Blonden eines hin.
    » Hallo. «
    Pippa gibt auch Tonio ein Tuch. » Ich habe mal eine Wasserratte gesehen. Die sah genauso aus. « Sie schnuppert. » Und die roch auch so. «
    Tonio tut etwas Merkwürdiges. Er nimmt Pippa in den Arm. » Bin ich froh, dass ich dich wiedersehe. «
    » War’s schlimm? « Sie legt die Hände auf seinen Rücken. Über seine Schulter hinweg sieht sie Julia an.
    » Du hast keine Ahnung, wie dreckig es da unten ist « , sagt er. » Und wie kalt. «
    Sie löst sich von ihm. » Wollt ihr was Warmes? Eine Fünf-Minuten-Terrine wäre da. Rinaldo hat Hühnchen mit Nudeln und Gemüseeintopf. «
    » Hühnchen wäre toll « , antwortet Julia.
    Pippa schaltet den Wasserkocher ein.

29

    D ie Mahlzeit ist vorbei, die Kanaltaucher haben geduscht und sich aufgewärmt. Pippa sitzt in der Kuhle der Couch, die Beine angezogen, die Pullikapuze übergeworfen. Wie ein scheuer Höhlenbewohner guckt sie sich um. Sie spürt mit jeder Faser, dass sich etwas verändert hat. Die Freude in den

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