Diese Nacht darf niemals enden
Darum ist Richard ja genau der Richtige. Der Mann ist nett, Herrgott noch mal!“
„Zu nett“, wandte Alexa ein. „Ich will ihm …“
Sie brach ab, weil sie nicht zu viel preisgeben wollte. Außerdem nutzte Imogen jede noch so kleine Andeutung, um zu einer Schimpftirade über Guy anzusetzen. Alexa wollte nicht noch Öl ins Feuer gießen. Im Stillen jedoch beendete sie den Satz für sich.
Ich will ihm keine falschen Hoffnungen machen.
Während sie den Satz zu Ende dachte, verspürte sie das längst vertraute Reißen in ihrem Herzen. Würde die Zeit es doch nur erträglicher machen! Doch das tat sie nicht. Seit vier Monaten ignorierte Alexa den Schmerz. Was sollte sie auch anderes tun? Sie hatte sich verliebt – dumm, unvernünftig und ungewollt –, in einen Mann, in den sie sich niemals hätte verlieben dürfen. Wenn er es wüsste, wäre er entsetzt. Es war schließlich nicht seine Schuld. Irgendwann würde sie doch sicherlich eines Morgens aufwachen und feststellen, dass sie über ihn hinweg war, oder? Und dann würde sie auch tun, wozu Imogen sie ständig drängte.
Dann würde sie zum Nächsten übergehen. Zum nächsten Mann.
Nur – genau daran scheiterte es immer. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, mit einem anderen Mann zusammen zu sein. Darum wollte sie auch nicht, dass sich ein Mann emotionell an sie band. Vor allem kein so netter Mann wie Richard Saxonby.
Sie waren sich auf einer von Imogens Dinnerpartys begegnet. Und es war mehr als deutlich gewesen, dass Imogen ihn ganz bewusst für Alexa eingeladen hatte. Bei Tisch saßen sie nebeneinander, und sie musste zugeben, dass Richard nett war. Er besaß Humor, war geistreich und herzlich und sah gut aus.
Aber er war nicht Guy de Rochemont.
Niemand ist das!
Niemand konnte es je sein. Aber sie hatte nichts mehr mit Guy zu tun, nie wieder, und nichts würde das ändern.
Du musst über ihn hinwegkommen. Du musst einfach!
Immie hatte recht. Solange sie sich nicht ernsthaft bemühte, würde sie für den Rest ihres Lebens „jammern“, wie die Freundin es ausgedrückt hatte.
Alexa atmete tief durch und hob ihr Kinn. „Also gut“, sagte sie, „ich werde es mit Richard versuchen.“
Darauf hob Imogen die Augen zur Decke auf. „Na endlich! Gott sei Dank!“, stieß sie inbrünstig aus, und sehr viel leiser setzte sie hinzu: „Dann wirst du diesen Widerling, der dich wie Dreck behandelt hat, vielleicht endlich aus deinem Kopf herausbekommen.“
Guy ertrug die Begrüßung. Während die Floskeln automatisch und glatt über seine Lippen flossen, arbeitete sein Bewusstsein konstant daran, die eiserne Selbstbeherrschung aufrechtzuerhalten, die er sich schon seit vier Monaten auferlegte.
Im Grunde diente ihm seine Selbstbeherrschung schon sein Leben lang als ganz persönliche Rüstung. Sie ermöglichte es ihm zu funktionieren. Sie ermöglichte es ihm, das Ungeheuer Rochemont-Lorenz zu bändigen, das Erbe zu tragen, das auf ihn übergegangen war, und die endlosen Forderungen zu erfüllen, die beinahe jedes Mitglied des vermaledeiten Clans an ihn stellte.
So viele Verwandte! So viele Familientreffen. Dieu , er könnte jeden Tag damit zubringen, quer durch Europa und die Welt zu reisen, von einem Treffen zum nächsten, von Geburtstag zu Beerdigung zu Taufe zu Hochzeit. Sein Erscheinen wurde erwartet, seine Anwesenheit gewürdigt, und wenn er sich nicht blicken ließ, waren die Gastgeber beleidigt. Dankbarkeit und Ehrgeiz flammten auf, sobald er entschied, dass Verwandte, tätig in den unzähligen Unternehmen von Rochemont-Lorenz eine Beförderung verdient hatten, andere reagierten zu Tode gekränkt, wenn er an ihren Fähigkeiten zweifelte.
Ganz zu schweigen von der Mittlerrolle, die ihm bei den Querelen zwischen den verschiedenen Branchen zukam, sowohl bei Konkurrenz als auch bei Zusammenschlüssen. Nicht jeder war damit einverstanden gewesen, dass ein junger Mann Anfang zwanzig das Ruder übernehmen sollte, nur weil er der Sohn des ältesten Familienzweigs war. Mehrere ältere Cousins hatten diese Erbfolge infrage gestellt. Aber Guys Hingabe, sein kühler Sachverstand und vor allem sein Scharfsinn in finanziellen Dingen hatten seinen Platz in der Dynastie gesichert. Inzwischen betrachteten alle seine Position als selbstverständlich.
So wie es alle als selbstverständlich erachteten, dass er zum Nutzen von Rochemont-Lorenz heiratete.
Er warf einen Blick neben sich. Louisa stand stocksteif an seiner Seite, während der stetige Fluss von Gästen
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