Diese Nacht darf niemals enden
den ersten gemeinsamen Abend wäre ihr lieber gewesen. Andererseits … ein Saal voller Menschen passte wohl besser als ein intimes Dinner zu zweit.
Richard war der perfekte Begleiter, trotzdem fühlte Alexa sich alles anderes als entspannt. Die Baugesellschaft, für die er als Bauplaner und Architekt arbeitete, sponserte den Abend. Sie saßen zusammen mit einer Gruppe seiner Architektenkollegen und deren Frauen am Tisch, und Alexa merkte, dass sie sich noch reservierter verhielt als sonst. Auf der Veranstaltung kamen so viele von Londons Schwerreichen zusammen, und das machte sie nervös. Es beschwor Erinnerungen und Assoziationen herauf, auf die sie lieber verzichtet hätte. Der dumpfe Schmerz in ihrem Herzen meldete sich stärker als in den letzten Wochen.
Aber sie wollte Richard nicht den Abend verderben, und so bemühte sie sich, an den Gesprächen teilzunehmen. Im Laufe des Abends jedoch wurde ihr eine ernüchternde Wahrheit bewusst.
Hätte sie sich nicht auf diese unvernünftige Affäre mit Guy de Rochemont eingelassen – oder besser gesagt, hätte sie sich nicht albernerweise in ihn verliebt –, hätte sie Richard Saxonbys Aufmerksamkeiten viel mehr genossen.
Es ergab doch viel mehr Sinn, sich in ihn zu verlieben. Sicher würde es ihr mit der Zeit gelingen, oder? Mit der Zeit konnte sie bestimmt tiefere Gefühle für ihn entwickeln und damit die hoffnungslose Liebe zu Guy, die sie in diesem Vakuum gefangen hielt, überwinden.
Von diesem Gedanken erfüllt, lächelte sie Richard an, als er sie nach den Reden und der Wohltätigkeitstombola zum Tanzen aufforderte.
Es konnte doch nicht so schwer sein, den Blick zu ihm zu heben, ihn anzulächeln und sich von ihm küssen zu lassen. Und später, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war und sie sich besser kennengelernt hatten, könnte sie vermutlich auch mit ihm schlafen.
Die Musik verklang, und die Paare verließen die Tanzfläche, um zu ihren Tischen zurückzukehren. Die Menge teilte sich. Alexas Blick wanderte durch die entstandene Lücke zum anderen Ende des Saals. Wie versteinert blieb sie stehen.
Noch in derselben Sekunde wusste sie mit absoluter Sicherheit, dass sie sich selbst in hundert Jahren nicht in Richard verlieben würde – und auch in keinen anderen Mann.
Denn der Mann, den sie liebte, sah sie direkt an.
Alexa.
Einen Moment verschwand alles um Guy herum, und er hatte nur noch Augen für sie. Eine große schlanke Figur in burgunderroter Seide, deren einer Arm auf der Schulter eines der vielen Smokingträger lag. Und dieser Smokingträger schaute sie mit einem besitzergreifenden Lächeln an.
Unwillkürlich machte Guy einen Schritt vor. Alexa rührte sich nicht, nur ihre Miene änderte sich. Der aufflammende Schock in ihren Augen verschwand sofort binnen Sekunden wieder. Reglos schien sie darauf zu warten, dass er zu ihr kam.
„Guten Abend, Alexa.“
Seine Stimme klang leise, sein Akzent fiel kaum auf – ganz anders als er.
Wie magnetisch wurden ihre Augen von ihm angezogen. Ihre Knie wollten nachgeben. Sie durfte sich dem nicht ergeben, sondern musste sich zwingen, stark zu bleiben, sich zwingen, ihn nicht mit den Augen zu verschlingen. Und vor allem musste sie darauf achten, nicht in den grünen Tiefen seiner Augen zu versinken. Augen, die sie atemlos und schwindlig machten.
Großer Gott, das durfte einfach nicht passieren!
Sie hörte den stummen Aufschrei in ihrem Kopf, hörte all die Ermahnungen ihres Verstands, die dennoch nutzlos schienen. Sie war Guys Wirkung auf sie hilflos ausgeliefert.
Noch ein Aufschrei hallte durch ihren Kopf.
Es sollte nicht so sein!
Dieser Mann sollte sie nicht so überwältigen. Sie hatte vier Monate gehabt. Vier Monate, um über das Ende der Affäre hinwegzukommen. Vier Monate, um Abstand zu gewinnen und ihn aus ihren Gedanken zu verbannen.
Für die Erkenntnis, dass all ihre Bemühungen umsonst gewesen waren, hatte es nur einen einzigen kurzen Moment gebraucht.
Entrüstung mischte sich in ihre Gefühle, die ihr den Atem raubten und es ihr unmöglich machten, einen Ton hervorzubringen. Dabei sollte sie doch ruhig und kühl die Vorstellung übernehmen. Dann könnten sie ein paar Floskeln austauschen und wieder getrennter Wege gehen.
Richard kam zu ihrer Rettung und riss sie aus der Starre. „Alexa?“ Eine kurze höfliche Frage, mehr nicht, aber sie reichte aus, um sie zu einer Reaktion zu bewegen. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen.
„Richard, darf ich dir Guy de Rochemont vorstellen? Vor
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