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1,90 Meter ist und eine gute Figur hat, muss damit rechnen, dass ihn jemand genau wegen dieser Kriterien auswählt. Besonders wenn man sich lange nur E-Mails schreibt, ist es fast unvermeidbar, dass man jede Kleinigkeit mit Bedeutung auflädt: Da finden vor dem inneren Auge schon gemeinsame Bergwochenenden statt, weil der andere von seinem Hobby Wandern schreibt. Und bei der Schlussformel »Schlaf gut« fühlt man schon einen warmen Arm um sich gelegt.
E-Mails erzeugen eine virtuelle Nähe, die so lange bar jeder Grundlage ist, bis man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Und diese Begegnung zerstört dann oft die Zuckerwattewelt, in die man hineingeträumt hat: Jeder, wirklich jeder Online-Dater, mit dem ich für dieses Buch gesprochen habe, und es waren am Ende mehr als ein Dutzend, kann von einer solchen Enttäuschung beim ersten Treffen berichten. Meine Interviewpartner erzählten davon, wie sie die wartende Person schon von Weitem erkannt haben und augenblicklich wussten: Das wird nix. Oder sie sahen im Gesicht des anderen, wie er nur mühsam seine Enttäuschung verbergen konnte. Sie erzählten von mühseligen Gesprächen und dem Bemühen, das Date dann doch noch anständig zu Ende zu bringen. Wie sie dann heimgefahren sind, in die leere Wohnung, wo am Computer alles wieder von vorne anfing. Einer gestand mir sogar, dass er einmal eine Absage per SMS geschrieben hatte, nachdem er die Frau im Café sitzen sah, die nicht seinen Erwartungen entsprach. Produktenttäuschung ist das größte Problem im Supermarkt der Liebe.
Auch die Partnerbörsen wissen, wie schnell sie frustrierte Kunden verlieren können. Ihre Seiten sind voll von Tipps, wie man realistisch bleibt. Ob sie etwas bringen?
Die Online-Partnersuche kann das Selbstwertgefühl stärken oder endgültig in den Keller treiben. Die Anfragen von Interessenten können beflügeln oder frustrieren. Natürlich kann man das mit Abstand vorteilhafteste Foto von sich einstellen: Weichzeichner, warmes Licht, die Problemzonen nicht im Bild. Bei der Kategorie Figur: keine Angabe.
Doch die meisten Liebessuchenden entwickeln mit der Zeit einen geschulten Blick und entlarven diese Tricks. Sie lernen: Männer mit Glatze verwenden gerne angeschnittene Fotos. Frauen, die ein paar Kilos zu viel auf den Rippen haben, fotografieren sich vorteilhaft von oben. Menschen mit gelben oder schiefen Zähnen lassen den Mund geschlossen. Wer eine Narbe oder eine große Warze auf der Wange hat, zeigt der Kamera die andere Gesichtshälfte.
Das alles klingt hart und oberflächlich. Dabei ist es einfach so: Wer sich selbst als Ware ausstellt, wird mit dem Blick eines kritischen Kunden betrachtet. Und zwar nicht nur auf Portalen wie hotornot.de, wo jeder User die Attraktivität anderer Mitglieder bewerten kann, sondern auch auf den seriösen, vom Geist der Ernsthaftigkeit durchzogenen Akademikerportalen.
Auch das erste Treffen ist aufgeladen vom Wunsch nach Nähe und der tiefen Sehnsucht nach dem romantischen Moment. So entsteht jene Fallhöhe, aus der sich Enttäuschungen ergeben. Mag der Abend für den einen anregend und vielversprechend sein, muss es dem anderen noch lange nicht so gehen. Oft folgt noch in derselben Nacht die Abmoderation per E-Mail: »Du, sorry, aber das wird nichts mit uns, du hast es ja sicher auch gemerkt. Wünsch dir viel Glück für deine weitere Suche.« So professionell sich die Suchenden geben, so abgeklärt und rational sie auch wirken – eine solche Absage trifft immer ins Innerste, und dort herrschen Zweifel, Komplexe und Urängste. Bei den meisten zumindest.
Bei Frank und Anna war es anders. Die beiden Berliner verstehen sich an ihrem ersten Abend so gut, dass sie gleich das nächste Treffen ausmachen. Es kommt zu zwei weiteren Verabredungen – und dann zu einem denkwürdigen Abend.
Anna hat Frank zum Sushi-Machen in ihre Wohnung eingeladen – bis ihr siedend heiß einfällt, dass sie einen Künstler bei sich erwartet, der ihr eine Auswahl an Bildern zeigen sollte, von denen sie eines zu kaufen beabsichtigte. Sie überlegt, Frank abzusagen, aber dann beschließt sie, einfach beide Verabredungen zu verbinden. Und so hilft Frank, ein Bild auszuwählen, das eineinhalb Jahre später im Wohnzimmer ihrer gemeinsamen Wohnung hängen sollte.
An diesem Abend küssen sie sich zum ersten Mal, und Frank geht nicht in seine Wohnung zurück. Tags darauf kündigt er seine Parship-Mitgliedschaft. »Irgendwie wusste ich: Das war’s.« Anna zögert noch:
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