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Anbieter, etwa gayParship, gegenüber Gayromeo noch immer das Nachsehen.
Das Internet hat das Kennenlernverhalten von Schwulen revolutioniert. Früher waren Homosexuelle auf großstädtische Cafés, Bars, Sportclubs, Sauna-Treffs angewiesen – Orte, an denen sie unter sich waren. Der junge Homosexuelle in der Provinz, für den die nächste Schwulenkneipe fünfzig Kilometer entfernt war, hatte Schwierigkeiten, sein Schwulsein auszuleben, geschweige denn auf Partnersuche zu gehen. Das änderte Gayromeo radikal. Bei 1,3 Millionen Mitgliedern muss sich niemand als Teil einer Minderheit fühlen. »Gayromeo ist unglaublich integrativ«, sagt Lars, der selbst aus einem kleinen Ort in Niedersachsen kommt. Dass er schwul war, ahnte er schon dort, ausgelebt hat er es erst, als er zum Studieren nach München ging.
Gayromeo hat die Partnersuche für Schwule zu einem Schlaraffenland gemacht. Auch wenn man eine Kompetenz dafür entwickelt, im Alltag zu erkennen, welcher Mann schwul ist und welcher nicht – den berühmten »Gaydar« schult (»Bei achtzig Prozent der Männer kann ich’s einschätzen«, sagt Lars) –, hilft Gayromeo enorm bei der Partnersuche: Denn anders als eine Kneipe hat das Portal 24 Stunden am Tag geöffnet, und die Besucher entsprechen einem Querschnitt der schwulen Bevölkerung.
Es mag daran liegen, dass immer mehr Schwulenviertel in Großstädten von einer heterosexuellen Mittelschicht erobert werden; dass Homosexualität so normal geworden ist, dass es keine Anonymität bietenden Kneipen mehr braucht. Oder vielleicht ist es auch andersherum, und das Internet hat dafür gesorgt, dass Schwulenkneipen obsolet wurden, sicher ist: Das Kennenlernen von Homosexuellen spielt sich fast nur noch online ab. An jedem normalen Werktag findet bei Gayromeo die größte Schwulenparty der Welt statt – mit mehr als 100 000 Mitgliedern, die allein dort gleichzeitig online sind.
Fast alle Schwulen können davon berichten, wie süchtig der virtuelle Schaufensterbummel machen kann: Laut seiner Profil-Statistik hat Lars schon 5263 Stunden auf Gayromeo verbracht, das entspricht 219 Tagen, an denen er 24 Stunden daueronline war. Ein freizeitfressendes Monstrum – auch das ist Gayromeo. »Ende 2011 war es richtig schlimm. Jeden Abend nach der Arbeit habe ich mich durch Profile geklickt, hatte ein Date nach dem anderen. Einige auch nur für Sex.«
Mehr als 54 000-mal wurde Lars’ Profil bereits angeklickt, er bekommt täglich mehrere »Tapsen« (das entspricht dem Anstupsen bei Facebook). Balsam für die Seele. Gayromeo ist ein Wettrennen um Selbstbestätigung.
Jetzt, wo ich mich zum ersten Mal durch die Mitglieder klicke, bin ich von der rohen Direktheit überrascht, mit der sich Schwule auf der Seite darstellen: Viele Profilbeschreibungen und -fotos sind explizit sexuell, ich sehe Sixpacks, muskulöse Torsos, glänzende Hintern und vorteilhaft abgelichtete Penisse. Freimütig werden körperliche Eigenschaften (»beschnitten ja / nein«), sexuelle Vorlieben (»top oder bottom«), Fetische (»dirty, Skinheads, Sportswear«) und die Penislänge (»medium dick 14 cm bis 18 cm«) angegeben.
Natürlich sind dies keine Pflichtfelder, die man ausfüllen muss – Lars etwa hat all diese Sachen in seinem Profil nicht angegeben –, aber bei geschätzt der Hälfte der Mitglieder sind diese Infos Teil der Selbstbeschreibung. Viel offener als bei Hetero-Dating-Seiten geht es um Sex, auch weil man sich auf die Verschwiegenheit der Community verlassen kann. Medienberichte über Gayromeo gibt es kaum: Pressearbeit haben die Betreiber – anders als die unzähligen miteinander konkurrierenden Angebote für Heteros – nicht nötig.
Lars ist regelrecht stolz, dass er seinen aktuellen Freund nicht bei Gayromeo, sondern beim Ausgehen kennengelernt hat. »Wir haben uns immer wieder angesehen und gelächelt, es war echt romantisch.« Egal ob hetero- oder homosexuell: Die Sehnsucht nach dem schicksalhaften Gründungsmoment der Liebe ist ungebrochen. Dazu passt, was ein Gayromeo-Mitglied, dessen Profil Lars und ich gerade ansehen, als Motto auf seine Seite geschrieben hat: »Ich hätte dich auch lieber im Supermarkt kennengelernt.«
Mit dem Internet hat sich Homosexuellen plötzlich ein gigantischer Marktplatz und eine neue Anonymität geboten, doch für Lars ist nicht alles am »Kennenlernen 2.0« positiv: Die Anbahnung von Kontakten erfolge immer stärker nach dem Kriterium der Verfügbarkeit: Neben dem Profilnamen und der Info, ob
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