Dieser graue Geist
peinlich berührte Voyeure ihres Schmerzes.
Kira sah die Schultern ihrer Freundin zittern und musste sich zwingen, nicht aufzuspringen und das arme Mädchen in die Arme zu schließen.
Sie hatte Ziyals kalte Hand in der eigenen gehabt und nach einem Zeichen gesucht. Einem Zeichen dafür, dass noch Leben, dass ihr Pagh noch in ihr steckte. Kein Vedek hatte sich um den Leichnam gekümmert, keine Familie war gekommen, um den Tora-Ohrring einzufordern, den Ziyal hätte tragen sollen. Denn das einzige Familienmitglied, das sie besaß, ihr Vater, war in keiner Verfassung gewesen, um um sie zu trauern. Stattdessen hatte er in seiner Zelle gehockt, sich stupide vor und zurück gewiegt, und getönt, er würde ihr ein neues Kleid kaufen und sie mit sich nach Hause nehmen. Als sei ihm ihr Tod entgangen. Für Dukat war sie am Leben gewesen, und Kira hatte gewusst, dass dies religiös gesehen tatsächlich zutraf – nur wo? Was wurde aus dem Pagh eines Kindes, das niemand für sich beanspruchte?
Nun, da die Wärme aus der toten Hand unter ihren Fingern schwand, hatte sich Kira der Gewissheit verweigert, dass die Energie verschwunden war, die aus Ziyal eine so lebhafte, kreative Person gemacht hatte. Dass alles verloren war und nichts von ihr überdauern würde.
Sie saß da, zum Großteil von Fremden umgeben, und wusste mit einem Mal, dass sie recht gehabt hatte. Etwas von Ziyal lebte noch immer.
»Ich erinnere mich, wie ich in das Gesicht meiner Mutter sah und mir ihre glatte Haut wünschte«, flüsterte Ziyal. »Ihre reine, saubere Haut. Als ich klein war, wusch ich mich einmal mit dem ätzend-sten Mittel, das ich finden konnte, weil ich hoffte, das Grau von mir wischen zu können. Ich trug zahlreiche Wunden davon, und meine Mutter versorgte sie. Danach hat sie geweint.«
Kira sah zu ihren Sitznachbarn. Augen glitzerten feucht, und eben noch ausdruckslose Gesichter waren nun von Melancholie durchzogen. Der Anblick hatte etwas Befriedigendes. Endlich trauert jemand! Wen kümmert’s, dass es Fremde sind? Ziyal hat es verdient.
»Ich war so erleichtert, Leute zu sehen, die mir ähnlicher waren. Leute wie meinen Vater.« Sie kaute auf ihrer Lippe herum, als bereiteten die nächsten Worte ihr Schwierigkeiten. »Aber ich schätze, ich war auch ihm nicht ähnlich genug, um seinem Volk zu gefallen. Nur in meiner Kunst war ich ganz ich. Nur in meiner eigenen kleinen Welt, in der mein Grau jede Farbe annehmen konnte, ergab das Leben einen Sinn. Und ich hoffe, sie kann auch anderen Sinn vermitteln. Auch wenn ich nicht wüsste, wem.«
Die Aufnahme hielt an, und es wurde heller im Raum. Botschafterin Lang trat in die Mitte des Empfangssaales, die Flaggen diverser Welten hinter sich. Ausdruckslos sah sie in die Gesichter der Anwesenden. Sie sprach völlig frei. »In einer Zeit, die weniger aufgeklärt als diese war, erarbeiteten sich Bajor und Cardassia – geführt von der Vision der bajoranischen Kai und der politischen Weisheit des Vedeks Bareil Antos – ein Friedensabkommen«, sagte sie, die Stimme voller Bedauern. »Es war ein Versprechen, das wir nicht zu ehren wussten. Doch nach dem Krieg begann eine neue Ära. Eine, in der wir uns als Wesen von Ehre erweisen können. Aus diesem Grund kam ich nach Deep Space 9 – um einen dauerhaften Frieden zwischen unseren Welten zu ermöglichen.«
Ohrenbetäubende Stille hing im Saal. Kira wusste, dass alle Anwesenden Langs Worte hinterfragten, die Cardassianer vielleicht ausgenommen. Auch sie selbst blinzelte überrascht. Lang will die Beziehungen zwischen uns und Cardassia normalisieren. Sie ist hier, um Bajor zu bitten, in Cardassia einen ebenbürtigen Nachbarn zu sehen. Ob das möglich ist?
Lang fuhr fort. »Doch wir verstehen die Skepsis, die die Föderation und das bajoranische Volk uns entgegenbringen. Alon Ghemor, der Leiter unserer provisorischen Regierung, glaubt daher, ein Zeichen unseres guten Willens sei vonnöten. Eine Geste, die gleichzeitig Symbol unseres Hoffens und Fundament unserer neuen Beziehung zueinander sein soll.«
Die Türen glitten auf, und ein Dutzend Cardassianer betrat den Raum. Jeder von ihnen trug einen anderen großen, flachen Gegenstand, der mit Tüchern verhängt war. Die Männer stellten sich hinter Lang und warteten regungslos. Kira war vor Erwartung ganz kribbelig. Sie wusste besser als alle anderen, was als Nächstes geschehen würde.
Lang schritt die Reihe ab und entfernte die Tücher eins nach dem anderen. Darunter kamen gerahmte Gemälde zum
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