Dieser graue Geist
eigentlich immer? Arme Dizhei. Charivretha wollte die eigenartige Dynamik der Gruppe nicht stören. Daher verkniff sie sich jegliche Parteinahme und steuerte das Gespräch vom Thema Thriss weg. »Ihr alle verdient eine Belohnung!«, sagte sie und räumte einen Werkzeugkoffer ein. »Und angesichts des Versteigerungswahnsinns, der um diese Holosuite-Stunden herrschte … Einer meiner Attachés war unser ärgster Mitbewerber, aber letzten Endes ersteigerte ich die Zeit. Eine derartige Gelegenheit konnte ich nicht verstreichen lassen.«
Anichent legte den Rest seiner Sachen in eine Kiste. »Ich schätze, wir sollten Dizhei und Thriss fragen, ob sie mitkommen.«
»Würdest du mich begleiten?«, fragte Charivretha. Anichent nickte steif, und gemeinsam machten sie sich auf, die anderen zu suchen.
Niemand wird es merken , dachte Thriss, die Hand über dem Kontrollfeld. Die Verlockung, die Lautstärke zu erhöhen, war stärker als ihre Angst vor der Entdeckung. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie Dizhei. Als ihre Bündnispartnerin reaktionslos weiterarbeitete, entspannte Thriss sich.
Shars Stimme hatte sie schon als Kind fasziniert. Er neigte nicht zu langen Ansprachen oder blumigen Formulierungen, aber der Klang seiner Worte ließ sie geradezu erbeben. Thriss entsann sich, wie sie sich Schulutensilien von seinem Tisch »geborgt« hatte – nur, damit er sie fragen musste, wo sie sie versteckte. Einmal hatte sie ihm während eines sportlichen Wettrennens sogar ein Bein gestellt, woraufhin er ungelenk stolperte und sie anbieten konnte, ihn zur Schulkrankenschwester zu bringen. Damals hatte sie ihn zum ersten Mal berührt – als sie seine Beule mit einem kühlen Tuch betupfte. Wie wütend er gewesen war! Die Erinnerung ließ sie lächeln, betrübte sie jedoch auch. Jetzt ist er Tausende von Lichtjahren entfernt, und ich kann mich nicht um ihn kümmern. Sie wischte sich über die Augen und hoffte, Dizhei bemerkte die aufkommenden Tränen nicht.
Dizhei war von Natur aus zuvorkommend, doch Thriss wusste, wie wenig Geduld sie mit Heulsusen hatte. Sie nutzte die gewölbte, hohe Rückenlehne ihres Sessels als Deckung, zog die Beine an die Brust, legte den Kopf auf die Knie und aktivierte die Aufzeichnung.
Vor einigen Tagen hatte sie Shars Dateien durchkämmt und war dabei auf sein Tagebuch gestoßen – sein »persönliches Logbuch«, wie es die Leute von der Sternenflotte nannten. Am Anfang hatte sie die Aufnahmen nur betrachtet, wenn Anichent und Dizhei schliefen. Aus Angst vor ihrer Kritik, aber auch weil sie etwas von Shar haben wollte, das nur ihr gehörte. Ihre Bündnispartner redeten stets von anständigem Verhalten und dem Respektieren persönlicher Grenzen, und Thriss wusste, dass es als Vertrauensbruch ausgelegt werden konnte, diese Aufnahmen ohne Einladung zu betrachten. Aber sie konnte nicht anders, sie brauchte ihre Zeit mit Shar. Und es wurde immer schwerer, bis in die Nacht zu warten. Daher hatte sie beschlossen, es jetzt schon zu wagen – auch wenn Dizhei, die mittels Ohrstöpseln den Arbeiten ihrer Schüler lauschte, im Raum war.
Soweit Thriss sehen konnte, war Shar glücklich. Seine Versetzung nach DS9 gefiel ihm. Doch seine Zufriedenheit barg stets die Frage, warum er mit ihr nicht ähnlich empfinden konnte. Warum er nicht nach Andor kam und das Shelthreth absolvierte. Danach konnten sie gemeinsam gehen, wohin er wollte! Sie mussten doch nur ihre Pflicht hinter sich bringen.
Stimmen im Hintergrund. Jemand hatte sich ihr und Dizhei hinzugesellt. Warum muss Anichent ausgerechnet jetzt kommen? Ich will die Aufnahme dieses Tages zu Ende sehen, denn damals bekam er mein Geschenk. Sie sah, wie Shar das detaillierte Modell der andorianischen DNA betrachtete. Es bestand aus runden, glatt polierten, mehrfarbigen Kristallen und stand auf dem Regal direkt neben seinem Bett, wie sie erfreut bemerkte.
»Thriss!«
Sie wirbelte im Sessel herum und sah sich, noch bevor sie protestieren konnte, Charivretha gegenüber.
Die über auf dem Bett ausgebreiteten Kinderzeichnungen andorianischer Kontinente brütende Dizhei sah überrascht auf, als Charivretha sprach, und nahm ihre Ohrstöpsel raus. Anichent ließ sich neben sie sinken und flüsterte ihr etwas zu.
»Computer, Aufnahme anhalten«, blaffte Charivretha. Dann wandte sie sich an Thriss. »Bist du autorisiert, Shars Logbücher zu betrachten?«
»Er gab uns Zugang zu seinem Quartier«, erwiderte sie. »Zugang ist Zugang.« Sie respektierte Charivretha. Schätzte
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