Dieser Kuß veraendert alles
Er sah nach unten, wo Jody seine Beine umklammerte.
"Jody..." sagte Amy warnend.
"Mit dem Griff könntest du einen Stier umwerfen, Partner."
Tate hob den Jungen auf die Arme. "Wir haben unsere Anweisungen und stehen Ihnen zu Verfügung, Ma'am."
"Ich möchte, dass ihr euch zu uns setzt", sagte Amy, in deren Armbeuge das Baby friedlich schlummerte.
"Komm schon, Cowboy", sagte Tate. "Wie wär's mit einem Ritt auf dem Knie deines Partners?"
"Ohne euch zwei hätten wir es nicht geschafft." Amy strich der Kleinen über die Wange. "Sie kam schneller als Jody. Ohne viel Vorwarnung."
"So sind die Frauen. Man weiß nie, was sie als nächstes tun."
Tate wippte mit dem Knie, und Jody gluckste fröhlich. "Merk dir das, Partner."
"Darauf fällt mir keine passende Antwort ein, also lassen wir es einfach stehen." Lächelnd sah Amy auf ihr Baby hinunter.
"Vorläufig. Einverstanden, Karen?"
"Wenn du so schnell nachgibst, musst du sehr, sehr müde sein", stellte Tate fest: "Wir haben eine harte Nacht hinter uns, und ich einen Sechzehnstundentag vor mir."
"Ich finde, wir sollten uns einen Ruhetag gönnen", sagte sie.
"Eine tut es bereits."
"Und die nächste fängt gleich damit an", sagte er. "Und falls du noch ein paar Überraschungen für mich parat hast, heraus damit. Ich gehe jetzt in die Scheune und lege los. Heute kommt die nächste Fuhre Heu."
"Keine Überraschungen mehr. Nur Dankbarkeit."
"Ich mache nur meinen Job, Ma'am."
"Du brauchst auch Schlaf", sagte sie.
"Den bekomme ich schon noch." Tate lächelte. "Wenn ich Schafhirte wäre, könnte ich den ganzen Tag im Gras liegen und träumen, aber ein Cowboy hat nie Feierabend."
Doch das störte ihn nicht. Heute hatte er mehr als genug Adrenalin im Blut.
Tate legte den Gang ein, setzte Amys großen Traktor zurück und sah dabei über die Schulter. Für den Bruchteil einer Sekunde tauchte Jodys Gesicht über den schwarzen Kerben des riesigen Reifens auf. Dann sah er nur noch den Reifen.
Über ihm krachte der Himmel ein. Er hörte einen gellenden Schrei, und dann schien um ihn herum alles dunkel zu werden.
Seine Beine funktionierten nicht, die Arme auch nicht, und der Kopf ließ sich nicht drehen.
Als der Schrei verhallte, wirbelte Tate herum und sprang vom Traktor. Vor ihm stand Jody, mit weit aufgerissenen Augen, so vertrauensvoll und unschuldig wie immer.
Tate beugte sich herunter und packte ihn an den schmalen Schultern.
"Ich hätte dich fast überfahren, Junge!"
"Ich... ich habe das Ohr von meinem Pferd gefunden. "
Schüchtern streckte Jody ihm das Lederstück entgegen, als könnte er damit den wütenden Mann besänftigen.
"Jody, ich hätte dich fast..." stammelte Tate, und sein Herz schlug wie wild. Er hob einen behandschuhten Finger. "Du gehst jetzt ins Haus", befahl er streng. "Das Ohr sehe ich mir später an. Und du bleibst im Haus, verstanden?"
Er sah, wie Jodys Unterlippe zitterte, er sah wie ihm die Tränen kamen, als er sich umdrehte und ins Haus rannte.
Dieselben Tränen stiegen in Tate auf. Oh, Gott, es hätte wieder passieren können, so schnell, so leicht. Er drehte sich um und starrte auf den verdammten Traktor, dessen Ladeschaufel wie ein Paar erhobener Arme in den Himmel ragte. "Gib nicht mir die Schuld", schien er zu sagen. "Es war wieder Tate Harrison."
Tate hasste Traktoren. Lieber zehn Wildpferde als eine von diesen verdammten Maschinen. Bei denen gab es nur einen Hals, den man brechen konnte. Den eigenen.
Im Haus war es still, als Tate eintrat. Er überlegte, ob er erst nach Jody sehen sollte, aber er schämte sich seines Wutausbruchs so sehr, dass er beschloss, statt dessen das Abendessen zuzubereiten.
Verlegen stand er wenig später vor der Schlafzimmertür und klopfte zaghaft. "Kann ich euch Mädchen etwas Essen bringen?"
fragte er leise.
"Komm herein", erwiderte Amy und setzte sich im Bett auf.
"Wir haben nur geschlafen und gestillt, wieder geschlafen und wieder gestillt. Karen schläft immer noch."
"Habe mir gedacht, dass du sie gefüttert hast." Er reichte ihr einen Becher mit Hühnersuppe und stopfte ihr noch ein Kissen hinter den Rücken. "Jetzt füttere ich dich."
"Danke." Sie lächelte schläfrig. "Haben du und Jody schon gegessen?"
"Machen wir gleich. Ich weiß gar nicht, wo er... Ich dachte, er wäre vielleicht bei dir. Wahrscheinlich ist er in seinem Zimmer." Er warf einen Blick auf den Babykorb, den er vorhin neben das Bett gestellt hatte. Es war noch gar nicht so lange her, dass Jody darin geschlafen hatte.
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