Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
von Trostspendenden. Schließlich verließ er den Rasen und wanderte auf dem sauberen Sandweg vom Haus der Bonners zu den Stallungen hinunter. Perlbüsche und blühende Quitten ließen ihre Farben tanzen. Dabei begann die Musik aus Denzil Wiedenhoedts idiotischer Musikbox und das gesellige Treiben an den Tischen zu schwinden, und er hörte leises Wiehern aus der Scheune. Auch der beißende, herausfordernde Geruch von Pferdefleisch wirbelte ihm grüßend entgegen.
    Das gewaltige Tor des Stalls – groß genug, um zwei Lastwagen einzulassen – stand offen, so daß man zwei gegenüberliegende Reihen von graugestrichenen Boxen sehen konnte, vielleicht zwanzig auf jeder Seite. Der Boden aus gegossenem Zement war so sauber, daß er schimmerte wie Elfenbein. Das Tor am anderen Ende der Scheune schien so weit weg wie Italien zu sein, aber Oberlichter in der türmchenbesetzten Decke gossen Sonnenlicht über die ganze Distanz, sich kreuzende Säulen aus Buttertoffee. Stäubchen und Fasern von Heu oder Stroh schwammen in diesen Säulen und erinnerten Cal an unbekannte Lebensformen in einem kolossalen, aber wasserlosen Aquarium.
    Er ging an der Reihe der Stallboxen entlang, lauschte dem hohlen Tappen seiner Sonntagsschuhe und betrachtete die nervösen Vollblüter. Mein Gott, dachte er, sie sind schön. Bei jedem Pferd stand der Name an der Box: Golightly, Divine Intervention, Radioactive, Ubiquity und so weiter.
    Vor dem hinteren Tor grasten weitere Pferde; deshalb waren einige der Boxen leer, und Cal blieb vor einer leeren Einheit stehen, um zu sehen, wie sie angelegt war. Er bemerkte sofort, daß Horsy Stout rings um die Box einen Sims gebaut hatte, der so hoch war wie der in Beton gegossene Wassertrog – so daß er auf dieser Plattform stehen und seine Schützlinge abreiben und striegeln konnte.
    Ich und Horsy Stout, dachte Cal. Zwei Männer in derselben Branche. Er mit seinen Pferden, ich mit meinen Breschnew-Bären.
    Laut sagte er: »Ich brauche einen Joint.«
    Er suchte sich ein Plätzchen. Der Gang zwischen den Ställen war dafür nicht geeignet. Vollblüter waren empfindsam; sie würden tänzeln und sich aufbäumen, wenn man in ihrer Nähe etwas anzündete. Wenn man sie zu sehr aufregte, würden sie – beinahe mutwillig – in ihren Boxen herumpoltern, bis sie sich die Flanke aufgerissen oder einen Huf gesplittert hätten, fast so, als sei ihnen bewußt, daß sie sich nur selbst Schaden zufügen mußten, wenn sie wollten, daß man sein Benehmen bereute. Wir sind teure Biester, sagten sie mit dieser Haltung, und wenn du uns nicht richtig behandelst, geht’s dir zur Strafe ans Portemonnaie.
    Schließlich gelangte Cal in die Sattelkammer. Rennsättel ruhten auf Sägeböcken oder stapelten sich auf einem Sperrholztisch. Und weil Wiedenhoedt für die Arbeit auf der Farm und zum Vergnügungsreiten auch Warmblüter hatte, hingen drei von manchem Hintern polierte Westernsättel an der Wand. An hölzernen Haken daneben baumelte ein Sortiment von Zaumzeugen, Scheuklappen und Kandaren.
    In der Sattelkammer befanden sich auch Kleiderspinde, ein Fernsehapparat, zwei Sessel und ein mit Limonade und Bier gefüllter Kühlschrank. Und was noch besser war: Für müde Reiter verbarg sich eine Dusche hinter der halbhohen Wand mit den Spinden.
    Ungestörtheit.
    Cal bewegte sich durch den kleinen Raum und schob sich in die Duschkabine. In letzter Zeit hatte sie niemand benutzt – die avocadofarbenen Kacheln waren trocken. Deshalb hatte er keine Bedenken, sich in seinem guten Anzug in die Ecke zu hocken und in den Taschen nach den Zutaten zu einem Joint zu wühlen.
    Aus einer Innentasche seines Jacketts zog er seine ›Pouch House‹-Paperbackausgabe von ›The Broken Bubble of Thisbe Holt‹ aus der Kassette, die Le Boi Loan ihm am Tag vor Miss Emilys Tod persönlich in die Tierhandlung gebracht hatte. Dieses Buch mit dem frischen Imprimatur des Medienzensurausschusses war der einzige Mainstream-Titel von Dick, den Cal noch nicht gelesen hatte. Wegen der Hospitalwachen und des Trubels der Beerdigungsvorbereitungen hatte er bis jetzt noch keine Gelegenheit gefunden, das Buch aufzuklappen. Er verspürte leise Gewissensbisse, weil er hier las, während der Empfang im Gange war, aber eigentlich vermißte ihn niemand, und er hatte sowieso nicht vor, besonders lange wegzubleiben.
    Cal nahm einen oder zwei Züge aus seiner Zigarette, bevor er das Buch aufschlug – Seite eins, Kapitel eins.
    Im selben Augenblick sah er Miss Emily vor sich, wie

Weitere Kostenlose Bücher