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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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mehr als wahrscheinlich, daß wir von der Umschaltung gar nichts wissen werden.«
    Verrückt, dachte Vear. Verrückter SF-Mumpitz für jeden, der’s glaubt. Funktionieren kann so was nur in einem Märchenbuch.
    Aber in die Funkeinheit seines Helms sagte er: »Von Braunville dematerialisiert sich, und uns wirft es durch das All zurück wie ein Bündel passiver Puppen?«
    »›Dematerialisiert‹ ist das falsche Wort. Und es ›wirft uns nicht durch das All zurück‹, Gordon, denn in unserer abreagierten Realität werden wir nie hier gewesen sein.«
    »Ja, leck mich im Arsch!«
    »Das Szenario gefällt dir nicht, mein unflätiger Freund?«
    Ehrlich gesagt, dachte Vear, ich begreife es nicht. Andererseits, Dolly, habe ich aber nicht deshalb, sondern deshalb geflucht. Und im schwarzen, schwarzen Schatten des Shuttles drehte er Dolly herum und deutete zur B-Kuppel, wo man eine menschliche Gestalt ohne Schutzanzug aus der Hauptschleuse stolpern und über die Mondoberfläche hüpfen sah, als sei das Leben der Preis in einem tödlichen Mondrennen.
    Und das war es wirklich.
    »Mein Gott«, sagte Dolly. »Das ist Romanenko.«
    Der sowjetische Materialphysiker kämpfte gegen die Wirkung von Anoxie und Dekompression. Unrekomprimiert würden seine Körperflüssigkeiten binnen fünf Minuten aus ihm hervordringen. Bei einer Bodentemperatur von ungefähr minus einhundert Grad Celsius bekam er noch schneller kalte Füße, als er sonst vielleicht hätte rennen können, und in seinen Gelenken brannte sicher schon neurologisches Feuer.
    Vear war fasziniert und entsetzt. Beide Empfindungen wuchsen in ihm, als der Kosmonaut geradewegs auf sie zugesprintet kam, Kopf und Hände unverhüllt, die Augen glitzernd wie zersplitterte Rubine in der roten Maske seines unmenschlichen Gesichts. Jeder vorwärtsgetriebene Schritt hob Kolja Romanenko in die Höhe wie einen Ballettänzer, aber als er den Rand der Lunament-Platte erreichte, schlenkerten seine Gliedmaßen bereits unkontrolliert, er fiel vornüber, hingestreckt wie eine Puppe, und zuckte ohne Anmut wie ein geköpftes Huhn.
    »Heilige Scheiße!« sagte Dolly. »Dieser verrückte Hund – was glaubt er, was das wird?«
    »Ein Nyby«, murmelte Vear. »Ein Nyby.«
    »Wir müssen ihn reinbringen. Vielleicht …«
    »Vielleicht gar nichts. Er ist tot. Er war in dem Augenblick tot, als er beschloß, den Sauerstoff aus der Luftschleuse hinausbluten zu lassen und loszurennen.«
    »Aber einen Versuch ist es doch wert, oder? Ich meine, wenn wir ihn …«
    »Wenn wir ihn wieder hineinbringen, verpassen wir unser Rendezvous mit Marlin und den anderen. Es wird Aufruhr geben, Tohuwabohu. Wir sind Spitzenkandidaten für ein zwölf-Stunden-Verhör.«
    Vear schaute hinüber zu dem polarisierten Fenster in der gehärteten Halbkugel der A-Kuppel, der Zentralanlage von Von Braunville. Niemand regte sich dort. Auch die Dozer-Jockeys, die bei der Sauerstoffanlage arbeiteten, hatten Romanenkos Spurt nicht gesehen, und die beiden Techniker zwischen den geisterhaften Blüten der Sonnenkollektoren waren tiefer zwischen ihnen verschwunden. Schieres Glück. Aber jetzt hoffte Vear, daß der Tote auch seinen sowjetischen Genossen nichts von seinem Plan, den letzten Lauf des Roland Nyby nachzuahmen, erzählt hatte. Allerdings war das unwahrscheinlich. Einen Selbstmordversuch gab man selten bekannt, wenn man nicht hoffte, daß jemand ihn vereiteln würde, und Romanenko hatte Erfolg gehabt. Wie man deutlich sehen konnte.
    »Was, zum Teufel, machen wir dann?« fragte Dolly.
    »Ihn verstecken. Komm! Du kannst mir helfen.«
    Sie kehrten zu dem toten Sowjet zurück – Vear hatte einen solchen Anblick noch nie gesehen – und packten ihn bei seinen schweren Armen. Das Weiße in Koljas Augen war blutdurchschossen, die Äderchen in seiner Nase waren geplatzt, und Blut und Schleim, die ihm aus Mund und Nasenlöchern quollen, ›kochten‹: Sie verwandelten sich in Blasen, die platzten, sobald sie sich gebildet hatten, und alles ringsumher mit Flüssigkeit bespritzten. Vear und Dolly zogen den dekomprimierten Kosmonauten rückwärts über die schräge Kante der Lunament-Platte herauf und in den Schatten der Daisy Duck.
    »Okay«, sagte Vear. »Gehen wir zu den anderen!« Er deutete auf ein Gebilde, das aussah wie eine aufgeschäumte Telephonzelle: Den Oberflächeneingang zu der Abstellkaverne, etwa hundert Schritt weit entfernt.
    »Yeah.« Dolly war hörbar außer Atem. »Toll.«
     
    Robinson war nervös. Er, ein Vietnamveteran,

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