Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
trächtige Weibchen darin mindestens vier kleine Breschnew-Bären zur Welt gebracht hatte. Sie waren winzig klein und nackt bis auf die farbenfrohen Pelzkragen, die um Köpfe und Schultern lagen. Wider Willen mußte Cal grinsen; er streckte die Hand oben in den offenen Käfig und kraulte die gefleckte Mähne der Mutter. Wenn man von dem Kruzifix über dem Altar und von der geringen Schwerkraft absah, war es wieder genau wie früher in Mr. K.s ›Happy Puppy Pet Emporium‹.
    »Ich fange noch an, die blöden Dinger zu mögen«, sagte er. »Sie sehen aus wie eine Kreuzung aus Brühwürsten und Zottelbären.«
    »Verlieben Sie sich nicht allzu sehr«, riet Bischof Marlin. »Es ist nicht allzu wahrscheinlich, daß die kleinen Kerlchen mit uns hinüberwechseln werden.«
     
    Erica Zola war in einer Sitzung mit Major Romanenko, dem Kosmonauten, dessen Spezialgebiet, die Materialphysik, auch das des verstorbenen Roland Nyby gewesen war. Romanenko war in der Frühstückspause der Psychotherapeutin hereingekommen und hatte um eine Beratung regelrecht gebettelt; sie hatte ihm die Bitte gewährt, weil er so schmerzlich verstört gewesen war, daß eine Ablehnung ein kleines Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen wäre, gegen ihre wie gegen seine.
    »Ich will ihn umbringen«, wiederholte er zum neunten Mal.
    »Eine unlogische Reaktion auf die Beleidigungen eines Verwirrten, Kolja. Intellektuell wissen Sie das auch, nicht wahr?«
    Kolja Romanenko sah sie an, und sein Blick war glutvoll genug, um die getopfte Hortensie zu versengen, die von der Leuchtscheibe hinter ihrem Schreibtisch überstrahlt wurde. »Ihr Kognitionstherapeuten seid alle gleich, Lady Doktor.«
    »Eine Verhaltenstherapeutin würde Ihnen einen ähnlichen Rat geben. Im übrigen auch eine Familientherapeutin, eine Psychodynamikerin, wahrscheinlich sogar eine Interpersonalistin. Sie haben ein Recht, wütend zu sein, aber Sie haben kein Recht, Präsident Nixon zu töten.«
    »Ich will überlaufen.«
    Noch ein verrückter Wunsch, dachte Erica. Ob Cals Frau Lia je solche Klienten hat? Laut sagte sie: »Zu dem Land, dessen Führer Sie beleidigt hat?«
    »Nein. Hierher. Euer Führer hat gerufen: ›Ich bin ein Von Braunvilleaner!‹ Also lassen Sie mich zu dieser Mondbasis überlaufen. Für immer.«
    »Das ist ein politisches Problem, Kolja, kein psychologisches oder emotionales. Ich kann Ihnen dabei nur helfen, wenn Sie einsehen, daß Ihr Wunsch im Grunde absurd ist.«
    Außerdem, überlegte Erica, kann es sein, daß dieser Ort nach dem heutigen Tag nicht mehr existiert. Und wenn du hierher desertierst, dann bist du ohne Land. Sogar ohne eine Gemeinschaft. Und was für eine Heuchelei – daß ich hier behaupte, es sei falsch, Nixon töten zu wollen, während ich selbst einer Verschwörung angehöre, deren Ziel sein Sturz mit parapsychotherapeutischen Mitteln ist …
    »Ich bin ein Von Braunvilleaner«, beharrte Romanenko.
    Es klopfte an der Tür, und aus dem Lautsprecher daneben kam die Meldung: »Erica – Cal Pickford hier. Darf ich reinkommen?«
    Erica rief: »Einen Mo …«
    »Ich gehe schon.« Major Kolja Romanenko stand auf. »Aber ich verspreche Ihnen, ich sterbe als Von Braunvilleaner.« Er stürmte zur Tür, drückte auf den Knopf, der sie beiseitegleiten ließ, und drängte sich an Cal Pickford vorbei in den Rundkorridor der B-Kuppel.
    »Kolja!« schrie Erica. Was bedeutete das: »Ich sterbe als Von Braunvilleaner?« Vermutlich eine Selbstmorddrohung. Und keine leere. Romanenko wird sich auf die gleiche verzweifelte Art aus unserer Gemeinschaft hinausstürzen, wie Nyby es getan hat. Ich muß ihm nach …
    Aber Cal trat ein, einen Breschnew-Bären im Arm. »Für dich«, sagte er, setzte das Meerschweinchen auf ihre Schreibtischunterlage und warf dem Kosmonauten einen verblüfften Blick nach. »Ein streitsüchtiges kleines Männchen.« Die Tür glitt seufzend wieder zu. »Den ›Bären‹ meine ich.«
    »Ich fürchte, Kolja braucht ihn nötiger als ich, Cal.«
    »Soll ich ihm nachlaufen?«
    Erica konnte es nicht sagen. Die Leuchtröhren in ihrem Sprechzimmer flackerten, ließen die Dunkelheit herein, strahlten aber so schnell wieder auf, daß Schrank, Computer, Konsole wie von einem gebremsten Atomblitz erhellt wurden. Als die Intensität dieses – seltsam rosa gefärbten – Lichtes schließlich nachließ, begann der verkrüppelte Körper des Zwerges namens Kai (alias Horsy Stout, alias Philip K. Dick) auf dem Stuhl Gestalt anzunehmen, den Kolja Romanenko

Weitere Kostenlose Bücher