Dieser Mann ist leider tot
kehrte bald zu dem skeptisch blinzelnden Le Boi Loan zurück.
»Nichts.«
Lone Boy zuckte die Achseln und spreizte die Hände.
»Schau nach, ob er im Verzeichnis der lieferbaren Bücher steht.«
»Bitte nicht. Soll ich mir die Arme brechen, wenn ich das Ding hochhebe? Hab Mitleid, Cal.«
»Ich mach’s selbst. Laß mich nachschauen.« Überwältigt von Ungeduld und Ärger schickte Cal sich an, die Theke hochzuklappen und in den Verkaufsbereich hinüberzuwechseln, aber da wedelte Lone Boy energisch in Schulterhöhe mit den Händen und nötigte ihn, stehenzubleiben.
»Warte«, sagte der naturalisierte Vietnamese. »Mir ist gerade was eingefallen.« Er bückte sich neben den grellbunten Nackedei-Heften, die den Geschäftsprinzipien zufolge nicht mit den anderen Illustrierten in den Regalen ausliegen durften, und wühlte in einer Kiste mit Hochglanzplakaten und Werbezetteln von verschiedenen New Yorker Verlagshäusern. Er zog eines der unglaublich verzwickt gefalteten Plakate hervor, stand auf und schüttelte es auseinander, damit Cal es sehen konnte.
»Schau her, Bruder Bücherwurm. ›Pouch House‹ bringen Reprints von Dicks Sachen als Paperbacks im Rahmen einer Serie namens ›Zeitgenössische Wiederentdeckungen‹. Alles mit farbkoordinierten Hi-Tech-Covers, einheitlicher Typographie, hoch gestochenen, literaturkritischen Klappentexten und so weiter. Du wirst haufenweise bestvergessene, unbedeutendere Amerikanski-Autoren in diesen Paketen erstehen können – P.K. Dick, A. Nin und J. Kerouac sind die Beispiele, die mir aus dem Stegreif einfallen.«
Cal studierte das Poster. Unter den Dick-Titeln, die Pouch-House in einer gleichförmigen Paperback-Edition herausbringen würde, waren ›Mary and the Giant‹, ›The Broken Bubble of Thisbe Holt‹, ›Puttering About in a Small Land‹, ›In Milton Lumky Territory‹, ›Confessions of a Crap Artist‹ und ›The Man Whose Teeth Were All Exactly Alike‹. Der Verlag hatte den Preis pro Band auf $ 3,95 festgesetzt.
»Ich dachte, du hättest gesagt, du hättest nie etwas von Dick gehört.«
»Du hast gesagt, er ist ein bedeutender amerikanischer Autor. Ich habe gesagt, ich werd’s mir notieren.«
»Du wolltest wissen, ob er Romanautor ist.«
»Ja, soll ich denn diese Art von amerikanischen Trivialien von A bis Z auswendig kennen? Du kannst mir doch nicht mal den Namen des großen vietnamesischen Kaisers nennen, von dem ich abstamme.«
»Le Thanh Tong, der Begründer der Le-Dynastie.«
»Das habe ich dir erzählt«, erklärte Lone Boy vorwurfsvoll.
»Ja, hast du. Und ich habe mich daran erinnert.« Cal hatte das Gefühl, daß Lone Boy ihn auf den Arm nahm. »Und wieso spielst du bei Dick den Ignoranten? Und wie, zum Teufel, kommst du dazu, ihn – wie hast du gesagt? – einen ›unbedeutenderen Amerikanski-Autor‹ zu nennen?«
»Als eure Regierung mich herbrachte, nicht lange nach der Weihnachtsbombardierung der Bewässerungsdeiche, mit der sie Le Duc Tho dazu zwangen, 1974 in Gifsur-Yvette in Paris die Kapitulationsvereinbarung zu unterzeichnen, da besuchte ich die Grace-Rinehart-Schule in Fort Benning, um mich amerikulturieren zu lassen. Ein Zwei-Jahres-Programm. Ich habe gelesen, bis mir schlecht wurde. Wir wurden zwangsernährt mit allem von Louisa May Apricot bis James Ghoul Cozzens. ›Puttering About in a Small Land‹ war der Dick-Titel, den ich herunterwürgen mußte. Schal wie ein Bier von gestern, das offen im Kühlschrank gestanden hat, Freundchen mein. Tödlich langweilige Sozialkritik. Der Junge hätte mal in einem totalitären Staat wie der sogenannten Demokratischen Republik Nord-Vietnam aufwachsen sollen.«
»Langweilig?« Cal war sprachlos.
»Einen guten Titel hat er sich immerhin einfallen lassen. Kleine Leute, die sich mit Kleinkram beschäftigen. Eine Figur ist ein geschwätziger Tropf mit einer bigotten Abneigung gegen Schwarze. Wenn das ein ›Klassiker der amerikanischen Literatur‹ sein soll, kannst du mir aber jeden Tag Daredevil vorsetzen. Ich habe mir ’ne Überdosis angelesen, und dein P.K.-Dick-Bursche ist ein superguter Grund dafür, daß ich es seitdem nicht wieder angefangen habe.«
»Ein einziges Buch ist aber kein fairer Test. Außerdem hat die Welt noch keine Gelegenheit gehabt, die wahren Meisterwerke zu lesen, die Dick geschrieben hat.«
»Da kann die Welt von Glück sagen.« Lone Boy hatte das Gespräch satt. Zwei Kunden mit Büchern in den Händen standen hinter Cal und warteten darauf, daß Lone Boy ihnen
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