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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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ihr Geld abnähme, und Cal merkte, daß der Vietnamese darauf wartete, daß er Platz machte. Loan faltete das Pouch-House-Poster – nicht gar zu ordentlich – wieder zusammen und stopfte es mit Nachdruck wieder in die Pappkiste neben den Schmuddelheften. »Diese ›zeitgenössischen Wiederentdeckungen‹ werden um den ersten April herum ausgeliefert. Bis dahin gibt’s hier keinen PKD, Cal.«
    »Ich möchte, daß du mir ein Paket reservierst.«
    »Dir ein Paket reservieren? Hey, Freundchen mein, ebensogut kannst du dir am Strand ein paar Sandkörner reservieren lassen. Niemand wird mit diesem Zeug davonmarschieren, bevor du an der Reihe warst. Bring dein Geld her, leg’s auf die Theke und geh nach Hause mit deinem … äh … Schatz. Am ersten April.«
    (Am ersten April. Genau. April, April.)
    Cal zog sein Scheckheft aus der Gesäßtasche seiner Jeans und schrieb einen Scheck für ›Gangway Books‹ über $12,50. Warum nur? fragte er sich, noch während er den Kugelschreiber über das Papier gleiten sah. Abgesehen von ›The Broken Bubble of Thisbe Holt‹ besaß er alles, was zu dem Paket gehörte, in anderen Paperback-Ausgaben, von denen einige schon Mitte der sechziger Jahre erschienen waren; er und Lia konnten sich eigentlich nicht leisten, ihr Geld für solche Nebensächlichkeiten auszugeben. Bücher waren angesichts ihrer derzeitigen Finanzlage Nebensächlichkeiten, und das würde Lia ihm sagen, wenn sie erführe, was er getan hatte.
    Aber, verdammt, Phil Dick war gestorben, und irgend etwas mußte er doch tun, um des Lebenswerkes dieses Mannes zu gedenken. Die Zeitung aus Atlanta hatte seinen Nachruf schließlich – so lang und ausführlich er auch gewesen sein mochte – zwischen den letzten Seiten des Wirtschaftsteils begraben, während die Nachricht von seinem Tod eine Balkenüberschrift auf Seite eins verdient hatte. Dieser gerissene Nasenstüber war natürlich darauf zurückzuführen, daß King Richard eine schlechte Meinung von dem Schriftsteller hatte, eine Wunde, die mit dem Erscheinen von ›Valis‹ im Jahr 1981 wieder geöffnet und verschlimmert worden war. Eigentlich war es ein kleines Wunder, daß die Zeitung überhaupt einen Nachruf auf Dick gebracht hatte, und Cal war sich darüber im klaren, daß die Constitution es nur deshalb gewagt hatte, weil Nixon – er stand jetzt im neunundsechzigsten Lebensjahr und im ersten Jahr seiner vierten Amtsperiode – milder geworden war. In seiner vierten Antrittsrede hatte der Präsident selbstgefällig eine Amnestie für jeden Wehrdienstverweigerer verkündet, der seine Opposition gegen den Krieg öffentlich widerriefe.
    Cal riß den Scheck über $12,50 aus dem Scheckbuch und schob ihn zur Kasse. »Da. Meine Anzahlung. Die Hälfte dessen, was ich dem Laden schulde, wenn die Bücher da sind.«
    »Schlaftabletten sind billiger, Cal, aber es ist deine Knete. Kannst sie ja als Klopapier benutzen, wenn du willst.«
    Das war der typische reflexhafte Antikommunist: Sie verehrten King Richard und verachteten jede politische oder literarische Gestalt, die auch nur die leisesten Zweifel daran anmeldeten, daß der Kapitalismus allen anderen ökonomischen Systemen überlegen sei. Cals Ärger über Le Boi Loan indessen wurde gemildert durch das Wissen, daß der Vietnamese seine gesamte Kindheit und Jugend damit verbracht hatte, der unnachgiebigen Staatspropaganda zu widerstehen, die Ho Chi Minh, den ›Erleuchtenden‹, als Bezwinger der französischen Kolonialisten und unübertrefflichen indochinesischen Patrioten zu glorifizieren. Dieses Benehmen hatte Le Boi zur seltsamsten aller Anomalien des Nordens werden lassen: Einen Jungen, der jede Bombe bejubelte, die von den unsichtbaren B-52-Maschinen am Himmel auf Hanoi oder Haiphong geworfen wurde, der sich aber zugleich in weiser Umsicht vor den erderschütternden Explosionen derselben Bomben in einen Bunker geflüchtet hatte. Mochte er seine Abneigung gegen Phil Dick nur behalten. Er hatte sich das Recht verdient, Daredevil höher zu schätzen als Ho und das Videospiel ›Phun Ky Cong‹ dem Vietcong vorzuziehen. Mit Loan über Bücher zu diskutieren war ein Idiotenspiel, denn er war viel zu idiosynkratisch ›amerikulturiert‹ – im besten wie im schlimmsten Sinne dieses gräßlichen Neologismus –, um sich noch im geringsten für Literatur zu interessieren. Ihn amüsierte das Leben selbst, und seine Erinnerungen an die ›schlimmen alten Zeiten‹ halfen ihm, das hochkünstlerische Gegifte amerikanischer

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