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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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fühlte sich lausig.
    Ein einschüchternder tough guy hatte ihm ein paar böse Minuten verschafft, nur indem er einen Unterschied zwischen ›stöbern‹ und ›sich umsehen‹ gemacht hatte.
    Eine mysteriöse Frau hatte ihm eine Heidenangst eingejagt, nur indem sie angedeutet hatte, daß sie mehr über ihn wisse, als er wollte. Und er hatte dieser Frau fügsam die Adresse von Lias Praxis in Warm Springs gegeben.
    Philip K. Dick war in Kalifornien an einem Schlaganfall gestorben, schon vor drei Wochen, und er hatte es nur erfahren, weil er durch Flecken von abgestandener Meerschweinpisse ergrauende Druckerschwärze entziffert hatte.
    Le Boi Loan hatte ihm gesagt, Dicks Bücher seien ›unbedeutend‹ und ›langweilig‹, und dennoch hatte er sich zu dem ganz unnötigen Erwerb einer sechsbändigen Dick-Neuausgabe vom Verlag ›Pouch House‹ verpflichtet, um damit seinen lächerlichen Schmerz zu bewältigen.
    Und er hatte Mr. Kemmings gekränkt, indem er das gutgemeinte, aber gescheiterte Geschenk des Breschnew-Bären zurückgewiesen hatte.
    Aber das Schlimmste war vielleicht, daß er gegenüber der einschüchternden Frau in der Tierhandlung schlecht von King Richard geredet und sich dann in törichter Weise selbst belastet hatte, indem er Lone Boy, einem echten Nixonier, etwas von seiner Sammlung ›Dick’scher Werke‹ erzählt hatte. Hatte er die Parade am Vierten Juli 1971 auf der Colfax Avenue in Denver vergessen?
    Natürlich hatte er sie vergessen. Er hatte sich bemüht, sie zu vergessen.
    Oh, what a beautiful morning. Oh, what a beautiful day.

 
    5 Der Mann hatte ihren entkoffeinierten Kaffee als Ersatzgetränk bezeichnet, aber er war jetzt schon bei der zweiten Tasse. Wie er so daran nippte, erinnerte er Lia an einen amtsenthobenen Priester.
    Schmuddelig distinguiert.
    Miss Bledsoe betrat Lias Sprechzimmer mit den Formularen, die er sich im Wartezimmer auszufüllen geweigert hatte. Lia erklärte ihrem neuen Patienten, sie wünsche, daß er sie nach besten Kräften ausfülle, selbst wenn das bedeutete, daß er dreiviertel der Fragen offenließ. Und wenn er wirklich Sitzungen bei ihr nehmen wolle, müsse er überdies ihre Standardvereinbarung unterschreiben, mit welcher das Therapeutin-Klienten-Verhältnis legalisiert werde.
    »Sie fürchten doch nicht, ich könnte Ihnen wegen Kunstfehlern eine Klage an den Arsch hängen, oder, Dr. Bonner?«
    Lia warf ihm einen Blick zu. Er zeigte ein Pokergesicht, aber seine Augen grinsten. Spöttisch. Nicht boshaft, sondern gelassen, als sei sie eine naseweise Tochter, die sich anmaßte, ihren alten Herrn über die Dinge des Lebens zu belehren. O ja, der Bursche hat einen düsteren Charme, dachte Lia. Einen komisch-prickelnden Sinn für Humor.
    »Sie würden nicht viel herausholen, wenn Sie es täten«, bemerkte sie. »Es ist einfach eine professionelle Formsache.«
    Der Mann ließ die Fußstütze seines Sessels herunter und lehnte sich nach vorn, so daß er Lias Formulare lesen konnte. Aber nachdem er einen, zwei Augenblicke lang die erste Seite betrachtet hatte, schüttelte er den Kopf und sah in unverhohlener Ratlosigkeit zu ihr auf. »Es ist wie eine Fremdsprache für mich«, erklärte er. »Die Buchstaben sind erkennbare Buchstaben, aber die Wörter, zu denen sie sich zusammenfügen, und die Absätze, die sie bilden – na, zum Teufel, es könnte genausogut Griechisch sein. Sie wissen schon – koine- Griechisch aus der hellenistischen und der römischen Periode. Ja, genau das ist es für mich: koine- Griechisch.«
    »Das soll ein Witz sein.«
    »Mir war niemals ernster zumute. Leider.« Er gluckste finster. »Ich kann nicht mal lesen, was auf dem Geld in meiner Brieftasche steht – von den Zahlen aus irgendeinem Grunde abgesehen.«
    »Dann würde es Ihnen nicht viel helfen, wenn Sie da drin Papiere hätten, wie?« Lia deutete mit dem Kopf auf seine Brieftasche. »Sozialversicherungskarte, Führerschein – das alles würde Ihnen nichts nutzen.«
    »Vermutlich – es sei denn, jemand könnte es mir vorlesen.«
    »Shawanda, lesen Sie ihm die Vereinbarung vor, und ich stelle ihm alle anderen Fragen laut.«
    »Jawohl, Ma’am«, sagte Shawanda. Sie nahm das bezeichnete Formular und las die entscheidenden Abschnitte vor. Er hörte ihr aufmerksam zu; er erinnerte Lia an Viking, wenn der Hund am Eßtisch saß, auf einen Happen hoffte und versucht einzuschätzen, wie großzügig sie wohl sein würden. Ja, das war’s: Ihr neuer Patient hatte die traurigen Augen und die

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